Rezension/Kritik - Online seit 03.05.2008. Dieser Artikel wurde 11328 mal aufgerufen.

Utopia

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Autor: Arnaud Urbon
Ludovic Vialla
Illustration: Stéphane Poinsot
Jean-Mathias Xavier
Verlag: Matagot
Rezension: Ralph Bruhn
Spieler: 2 - 5
Dauer: 60 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2007
Bewertung: 3,6 3,6 H@LL9000
4,1 4,1 Leser
Ranking: Platz 4985
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Utopia

Spielziel

In Utopia gibt's eine Nachhilfestunde in Geschichte: Gleich vier Weltwunder und Monumente aus fünf antiken Kulturen warten darauf, errichtet zu werden. Nach und nach bringen die Spieler Fürsten der verschiedenen Kulturen ins Spiel. Mit Aktionskarten kann man die Fürsten bewegen und durch ihr Zusammentreffen Monumente entstehen lassen. Aber nur die ebenfalls über Aktionskarten beeinflussbare Gunst des Königs entscheidet, welche der Monumente wieviel Prestige erbringen. Daher führen nicht nur baumeisterische Fähigkeiten zum Sieg, sondern vor allem auch die Kunst, die Gunst des Königs zur rechten Zeit zu steuern.

Ablauf

"Unsere Hoheit, der König von Utopia, ist ein echter Fan antiker Bauwerke. Da wir selbst keine nennenswerten Architekten hervorgebracht haben, lässt er jetzt Fürsten aus fünf antiken Kulturen anreisen, die uns beim Nachbau ihrer Monumente und bei der Errichtung von Weltwundern helfen sollen. Er wechselt allerdings des Öfteren mal seine Meinung, welche der Kulturen ihm gerade am wichtigsten ist. Die aktuelle Reihenfolge hält er auf einer sogenannten Prestigeskala fest.

Wer wir sind? Wir sind Minister des Königs und haben den Job, den Fürsten beim Errichten der Bauwerke behilflich zu sein - ein erheblicher Prestigegewinn inklusive aller Annehmlichkeiten winkt! Zugegebenermaßen gehen wir daher recht egoistisch vor - der persönliche Erfolg ist uns wichtiger als das Wohl des Landes ...

Zum besseren Verständnis unserer Aufgabe muss man wissen, dass Utopia aus vier Inseln besteht, die sich aus mehreren Stadtteilen zusammensetzen und jeweils einen Hafen besitzen. Das Schwierige dabei: Um ein Monument errichten zu können, müssen wir drei Fürsten der entsprechenden Kultur in einem Stadtteil zusammenbringen. Für den Bau eines Weltwunders benötigen wir sogar alle fünf verschiedenen Fürsten auf einer Insel. Auf jedem Stadtteil kann aber nur ein Monument errichtet werden und auf jeder Insel nur ein Weltwunder. Daher wird es im Laufe der Zeit immer komplizierter, diese Aufgabe zu erfüllen.

Jetzt geht's los: Die Fürsten kommen etappenweise an und landen bunt verteilt mal in diesem, mal in jenem Hafen. Nun werden wir Minister aktiv: Die Reihenfolge richtet sich dabei nach der bisher erworbenen Anzahl von Prestigepunkten - wer mehr hat, ist früher dran. Unsere Tätigkeit, besteht grob gesagt aus zwei Teilen:

Nach jeder Ankunft der Fürsten geleitet jeder von uns als Erstes drei der Fürsten in einen Stadtteil der Insel, auf der sie angekommen sind.

Für den zweiten Teil stattet uns der König mit fünf Auftragskarten aus - allerdings müssen die, die sich bisher besonders erfolgreich hervorgetan haben, eine oder sogar zwei davon wieder zurückgeben (der gerechte König möchte die Erfolgserlebnisse wohl gleichmäßiger verteilen ...).

Diese jeweils einer der Kulturen zugeordneten Auftragskarten befähigen uns dazu, die entsprechenden Fürsten auf der Insel über Land oder Wasser reisen zu lassen, oder auch weitere Fürsten auf die Insel zu bringen. Oder wir beeinflussen mit ihnen das Ansehen, das die einzelnen Völker beim König besitzen - also deren Reihenfolge auf der bereits erwähnten Prestigeskala.

Wenn wir alle Auftragskarten benutzt (oder für die nächste Runde aufgespart) haben, wird ausgezählt, wer wieviel Prestige in dieser Runde erzielen konnte. Jetzt bekommen wir für jedes Monument den aktuellen Wert der Prestigeskala gutgeschrieben. Ach ja: Auch für Weltwunder werden natürlich Prestigepunkte verteilt: Ein fester Betrag wird sofort beim Bau ausgeschüttet, weitere gibt's dann, wenn ein Monument auf der zugehörigen Insel errichtet wird.

Und schon steht die Ankunft der nächsten Fürsten bevor - also auf zur nächsten Runde!"

Einen anspruchsvollen Job haben die guten Minister da zu leisten! Runde für Runde ergießt sich also ein stetiger Strom von Fürsten über die Insel, die Bauwerke schießen wie Pilze aus dem Boden, bis - ja bis einer der Minister 50 Prestigepunkte vorweisen kann. Dann wird die aktuelle Runde noch komplett zu Ende gespielt - und gewonnen hat dann jener Spieler, der danach die meisten Punkte auf seinem Prestigekonto hat.

Fazit

Angesichts der haarsträubenden Idee, Kulturen aus verschiedenen Jahrtausenden zeitgleich ihre Monumente errichten zu lassen, ist der Name des Spiels die einzig logische Konsequenz - das Thema wird zur Utopie erklärt.

Dieses wird beginnend mit dem Cover konsequent umgesetzt: Wie der prachtvoll gewandete König vor einem Modell des Inselstaates sitzt, hinter sich die Skyline Utopias, wirkt es wie eine Mischung aus 1001 Nacht und einem fantastischen PC-Grafikadventure a la Myst.

Öffnet man dann die ordentlich schwere Schachtel, ist man erst mal beeindruckt. Das Spielmaterial ist sehr reichlich - und vor allen Dingen sehr bunt ... Die zweihundert Fürstenplättchen in den fünf sehr kräftigen Spielerfarben konkurrieren mit den neutralen Fürstenplättchen in den vier ebenso leuchtenden Inselfarben um die visuelle Vorherrschaft. Auch der Spielplan ist sehr farbenfroh gestaltet und man ahnt es schon: bunte Plättchen auf farbigem Spielplan - das wird eher den Konzentrationskünstlern unter uns gefallen.

Die Qualität des Materials selbst ist beispielhaft: Stabile Pappplättchen, die Spielkarten aus hochwertigem Karton und nicht zuletzt über vierzig mit viel Liebe zum Detail gestaltete dreidimensionale Monumente und Weltwunder aus Kunststoff, denen man leicht ansehen kann, zu welcher der Kulturen sie gehören. Gut, hier höre ich die Holzpuristen wieder aufstöhnen - aber ich finde so etwas einfach klasse. Schade nur, dass die vier Weltwunder fast die gleiche Farbe haben wie die Monumente - da fallen sie gar nicht so sehr auf, wie sie es verdient hätten.

Die vierseitige Spielregel ist gut aufgebaut, gut verständlich und mit ausreichend Beispielen und Abbildungen versehen. Sie ist vollständig bis auf einen kleinen Punkt: Es ist nicht eindeutig geklärt, was passiert, wenn eine Figur auf ein bereits besetztes Siegpunktfeld kommt - dieses ist schließlich relevant für die Spielerreihenfolge. Wir spielen es so, dass man sich in diesem Fall hinter die bereits vorhandene Figur begibt.

Der Einstieg in das Spiel gestaltet sich für Anfänger recht schwierig: Der Spielplan ist unübersichtlich, die Vielfalt der Farben verwirrend - und dann fehlt einem anfangs auch noch die Zuordnung, welche Fürsten zu welchen Tempeln gehören. Auf den Karten ist das zwar zu erkennen, aber die hat man beim ersten Spielzug ja noch nicht auf der Hand. Wir haben uns dann in den ersten Runden damit geholfen, dass wir an der Prestigeskala jeweils ein Fürstenplättchen neben den entsprechenden Tempel gelegt haben. Insbesondere den Geschichtsbanausen konnte damit sehr geholfen werden ...

Nach einigen Runden begreift man dann, dass das Spiel gar nicht so kompliziert ist, wie es zunächst den Anschein hat: In der ersten Phase verteilt jeder drei Fürstenplättchen auf die Inseln, in der zweiten Phase werden diese mit Karten so bewegt, dass sie sich zu dritt zusammenrotten und so Monumente bilden. Mit den Restkarten beeinflusst man die Prestigeskala und erntet Siegpunkte. Hat sich diese Erkenntnis durchgesetzt, beginnt das Spiel, Spaß zu machen: Man konzentriert sich nicht mehr nur darauf, eigene Monumente zu errichten, sondern kann gleichzeitig auch noch die Anderen dabei stören. Außerdem beginnen spannende Konkurrenzkämpfe darum, wer in einzelnen Stadtteilen als Erster mit seinen Bauvorhaben zum Zuge kommt. Selbst an die Farben und den Aufbau der Inseln gewöhnt man sich dann doch schnell.

Das Spiel könnte richtig gut werden - bis einen die Wertungen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Es beginnt mit der manchmal frustrierenden Situation für den Führenden, dass er zum einen sowieso weniger Karten für die Phase "Stadt ausbauen" hat und er zum anderen nichts dagegen tun kann, dass die nach ihm folgenden Spieler die Wertigkeit seiner Monumente weit herabsetzen können.

Gegen Ende des Spiels zeigt sich sogar der spieltechnische Super-GAU: Ein per Regel festgelegter Königsmacher-Effekt! Warum? Der an letzter Stelle liegende Spiele führt per definitionem den letzten Zug des Spiels aus. Damit legt dieser auch den Wert der Monumente für die letzte Wertung fest. Da meistens dieser Spieler nicht mehr gewinnen kann, entscheidet er mit seinen Aktionen sehr häufig als Unbeteiligter über den Sieger. Für die, die wie ich ähnlich allergisch auf den Königsmacher-Effekt reagieren, habe ich einen Vorschlag unter "Varianten" eingestellt.

Die Belohnung für den Bau eines Weltwunders ist - thematisch gesehen - nicht gerade adäquat gegenüber den Monumenten. Selbst ein recht früh errichtetes Weltwunder bringt insgesamt kaum mehr Punkte als ein zur gleichen Zeit errichtetes durchschnittliches Monument - und das, wo ein Weltwunder sogar zwei Fürsten mehr "kostet" als ein Monument. Das gilt umso mehr, je weniger Spieler mitspielen, da dann insgesamt weniger Monumente errichtet werden (wir erinnern uns: Der Besitzer eines Weltwunder erhält Bonuspunkte, wenn auf dessen Insel Monumente gebaut werden).

Daraus folgt, dass es nicht wirklich viele unterschiedliche Strategien gibt - wer schneller seine Monumente baut, wird öfter gewertet, und wer dann noch Karten für die Gunst des Königs erübrigen kann, hat meist auch am Ende die Nase weit vorn. Vielleicht könnte hier eine höhere fixe Anzahl von Prestigepunkten für ein Weltwunder Abhilfe schaffen, wobei die Punkte spielerzahlabhängig gewählt werden sollten: je weniger Spieler, desto mehr Punkte.

Die Unberechenbarkeit des Spiels steigt mit der Anzahl der Spieler. Zu fünft gibt es mehr Konkurrenz um die Bauplätze und gegen Ende sind fast alle Stadtteile bebaut. Außerdem herrscht ein ständiges Auf und Ab auf der Prestigeskala. Nicht ganz so im Spiel zu dritt: Hier bleiben doch noch größere Lücken auf den Inseln übrig und hier lohnt sich auch für den Führenden ein Engagement auf der Prestigeskala, ohne dass seine Bemühungen gleich zunichte gemacht werden.

Insgesamt bleibt zu sagen, dass das Spiel trotz opulenten Materials und einiger guter Ideen und Ansätze wegen des Wertungssystems nicht überzeugen kann. Gute Kombinationen, geschickte Ausnutzung der Karten und natürlich auch ein bisschen Glück beim Nachziehen der Karten werden umgehend damit "bestraft", dass man in Führung geht und die ganze Härte des Nivellierungssystems zu spüren bekommt. Das sorgt vielleicht dafür, dass die Spieler bis zum Schluss recht eng beieinander liegen, nimmt einem aber das Gefühl, selbst etwas für seinen Erfolg tun zu können.

Also: Probiert's mal mit der Variante - das kann dieses schöne Spiel noch retten ...

Rezension Ralph Bruhn

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

Regelvarianten

Variante zur Behebung des Königsmachereffekts, welche nur zwei Änderungen im Spielablauf beinhaltet:

  • Die Spielerreihenfolge in der 2. Phase (Stadt ausbauen) wird umgekehrt: Es beginnt nun der am weitesten hinten liegende Spieler, der Führende ist als Letzter dran.
  • Die Monumentwertung für einen Spieler findet sofort nach seinem Zug statt. So kann jeder die Früchte seiner ausgespielten Karten ernten. Falls es Verwirrung gibt, welcher der Spieler schon seinen Zug absolviert hat: Einfach nach dem Zug die Figur auf der Siegpunktleiste hinlegen, bis die ganze Runde beendet ist.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Utopia: 3,6 3,6, 5 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 16.03.08 von Ralph Bruhn - Abwertung im Spielreiz wegen Königsmachereffekt, mit der Variante gibt's eine 4-5.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.12.07 von Michael Andersch - Anfangs stark verwirrende Grafik.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 10.02.08 von Roland Winner - Etwas nervig ist der ständige Wechsel der Spielreihenfolge.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 25.02.08 von Silke Hüsges
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.04.08 von Horst Sawroch

Leserbewertungen

Leserwertung Utopia: 4,1 4.1, 8 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 03.05.08 von Beate Bindrim - Die wunderschöne Grafik des Spielplans hemmt leider etwas den Spielfluss. Der Königsmachereffekt ist sehr frustrierend, unbedingt mit der Variante spielen, dass jeder Spieler sofort nach Karteneinsatz wertet! Aber ich mag´s einfach.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 03.05.08 von Braz
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 03.05.08 von Marco Stutzke
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 04.05.08 von Detlef Vanis
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 06.05.08 von Gabriele Petry
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 07.05.08 von Claus Fischer - Schönes und interessantes Spiel, mit der Variante glatte 5 Punkte!
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 07.05.08 von Michael S.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 12.08.12 von nora - Wir haben Utopia zu fünft mit der Regelvariante gespielt und es hat uns deutlich besser gefallen. Zwei der Spieler waren nicht so begeistert -- sie hatten ein knall hartes Strategiespiel wie Khronos erwartet. Aber als mittelschweres Familienspiel ist es ausgezeichnet. Einzig die Länge ca. 2,5 Stunden war etwas störend.

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