Spielziel

Ein gewisser Francesco Tasso richtete 1490 eine Kutschenlinie zwischen Innsbruck und Brüssel ein und gründete damit das Postwesen. Seit seiner Erhebung in den Adelsstand durfte Tasso sich "Franz von Taxis" nennen – und wir im (fast) gleichnamigen Spiel "Thurn und Taxis" seine Pionierleistung zu einem beeindruckenden Streckennetz ausbauen.

Ablauf

22 Städte im süddeutschen Raum gilt es ins eigene Postkutschennetz zu integrieren. Verteilt sind diese auf 9 Regionen, allerdings in völlig unterschiedlicher Anzahl: von 1-Stadt-Regionen bis hin zum mächtigen 8-Städte-Verbund Baiern – was für die Spielstrategie von tragender Bedeutung sein wird …

Das Grundprinzip ist völlig simpel: Pro Spielzug eine Städtekarte aus der Auslage von 6 Karten aufnehmen und wieder eine als Streckenkarte aus- bzw. anlegen. Dabei darf eine bereits begonnene Strecke nur an ihren Endpunkten verlängert werden. Ist das nicht möglich, muss eine neue Strecke begonnen werden – die unverlängerbare Strecke verfällt.

Variiert werden kann ein Spielzug, indem eine der vier Amtspersonen in Anspruch genommen wird. Der "Postmeister" erlaubt die Aufnahme von 2 neuen Handkarten, der "Amtmann" tauscht die Kartenauslage komplett aus. Ein "Postillion" bringt Schwung in den Ausbau des Streckennetzes, indem er das simultane Auslegen zweier Streckenkarten erlaubt. Pro Spielzug darf allerdings nur einer dieser äußerst hilfreichen Gesellen herangezogen werden.

Sobald eine Strecke mindestens 3 Stadtkarten umfasst (oft werden es deutlich mehr sein), darf sie abgeschlossen werden. Hier versteckt sich der Clou des Spiels: Die 20 hölzernen Postämter dürfen nicht in alle durch die Strecke abgedeckten Städte verteilt werden, sondern wahlweise lediglich

• in alle Städte einer einzelnen Region oder

• in eine Stadt pro Region, welche die Strecke erreicht bzw. durchquert hat.

Um möglichst viele Postämter zu errichten ist es also sinnvoll, entweder eine kleine bis mittlere Strecke auf eine einzelne Region zu konzentrieren, oder eine lange Stadtkette zu bilden, die Städte in möglichst vielen verschiedenen Regionen besucht.

Lohn der Mühe winkt in Form von Bonusplättchen. Wer alle Städte einer Region mit Postämtern versorgt hat, erhält ein Bonusplättchen dieser Region. Hat ein Spieler alle Regionen außerhalb Baierns an sein Netz angebunden (1 Stadt pro Region genügt), sichert er sich ebenfalls ein gut pepunktetes Plättchen. Auch besonders lange Strecken werden belohnt: Ab der Länge 5 winken Bonuspunkte in wachsender Anzahl. Dem Faktor "Zeit" kommt dabei tragende Bedeutung zu: Je früher man sich Plättchen eines bestimmten Typs sichert, desto punkteträchtiger ist es. Zu spät Gekommene müssen sich mit geringeren Boni abfinden.

Das Spiel endet, sobald ein Spieler alle seiner 20 Postämter verbraucht hat. Zusätzlich erhält ein Spieler bei jeder abgeschlossenen Streckenkarte eine "Kutschenkarte", sofern er die darauf angegebene Streckenlänge (3 - 7) erreicht hat. Die Amtsperson "Wagner" verlängert bei Engpässen die Strecke imaginär um 2. Das Erreichen der siebten Kutschenkarte markiert ein zweites, mögliches Spielende. Die Punkte der Bonusplättchen und Kutschenkarten werden aufsummiert, übrig gebliebene Postämter abgezogen – das Endergebnis weist den erfolgreichsten Postkutschenbetreiber aus.

Fazit

Wenn man mit seinen Kutschenverbindungen so durch die wunderschönen süddeutschen Lande streift, könnte man glatt vergessen, dass es sich bei Thurn und Taxis im Grundsatz um ein relativ einfaches Kartensammel- und Ablegespiel handelt. Spielplan und Karten sind ein echter Hingucker: Stilecht und optisch edel - teilweise allerdings auf Kosten der Übersicht, da die Straßenverbindungen der Städte und die Grenzen der Regionen in der Detailverliebtheit des Plans unterzugehen drohen.

Leise Kritik trifft auch die Spielregel. Gelungen in Aufbau und Zahl der Beispiele, steckt der Teufel im Detail: So fehlt eine Abbildung des Bonusplättchens "Außerhalb Baierns"; das Beispiel zu erlaubten Streckenverbindungen ist fehlleitend (Netz statt Kette), ein Hinweis darauf, die Auslage auch bei doppelter Kartenaufnahme nach jeder Karte sofort aufzufüllen, fehlt ebenfalls. Dass diese kleinen Lücken kaum auffallen, liegt an der glasklaren, intuitiven Struktur des Spielablaufes. Spielt man einfach so, wie man es spontan für korrekt erachtet, spielt man automatisch richtig.

Großartig ist, dass diese Einfachheit des Mechanismus in keinster Weise einen eindimensionalen oder abwechslungsarmen Spielverlauf generiert. Vielmehr führen viele Wege nach Sigmaringen, Passau oder Pilsen: Entweder stürze ich mich auf die Länderboni, indem ich mich auf Karten einer Einzelregion konzentriere, oder ich setze auf überregionale Querstrecken. Ideal ist eine Kombination: Boni für die größeren Regionen durch Konzentration abstauben, die kleinen Regionen (v. a. die "1-Städter") durch überregionale Städteketten einsammeln.

Dilemma ist der Faktor Zeit: An sich sollte ich meine Strecken möglichst früh abschließen, um meinen Mitspielern bei den höheren Boni zuvor zu kommen, andererseits vergebe ich dadurch mitunter die Chance, gleichzeitig einen satten Langstreckenbonus oder die nächsthöhere Kutschenkarte einzusacken. Bitter auch, wenn der Mitspieler vor mir dieselben Schwerpunkte setzt, und mir die wertvollen Karten für die 1-Stadt-Regionen wegschnappt.

Fast immer findet sich in der Kartenauslage aber eine Karte, die mir irgendwo weiter hilft. Blockieren ist ohnehin nicht möglich – jeder Spieler darf jederzeit in jeder Stadt bauen. Das sorgt für ein sehr braves Spielgebaren: Die Konkurrenz beschränkt sich auf die Frage, wer sich als erster ein Bonusplättchen krallt, sowie auf die zufällige Wegnahme dringend benötigter Städtekarten. Ganz bitter der seltene Fall, dass auch ein Auslagentausch keine Karte offenbart, die eine Streckenverlängerung ermöglicht. Dann wandert die gesamte Strecke auf den Müll – und mit ihr alle Siegchancen, denn das Spiel verläuft zu eng und gleichmäßig, um einen solchen Lapsus noch ausgleichen zu können.

Interaktiv ist Thurn und Taxis also nicht gerade. Wer seinen Mitspielern gern aktiv Klötze zwischen die Radspeichen werfen will und aus Schadenfreude den größten Spielreiz zieht, ist als Postkutscher eher ungeeignet. Am ehesten entsteht Nägelkauen noch im Spiel zu viert, da der Langsamste hier oft gar keinen Bonus mehr erhält. Davon abgesehen planen wir nebeneinander her – das allerdings durch die vielfältigen Punkt- und damit Siegstrategien überaus abwechslungsreich. Aus einer Kette kleinerer Entscheidungszwänge (Einzelregion oder überregionales Bauen, welche Städtekarte, welche Amtsperson?) entsteht ein ruhiges, aber variables Spielgeschehen, das nicht zuletzt Familien in seinen Bann ziehen dürfte - und ganz nebenbei fast vergessene Geschichte lebendig werden lässt: Trari, trara, die Post ist da – nun wissen wir sogar, warum!

Rezension Steffen Stroh

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

Regelvarianten

Ja wo gibt´s denn sowas: "Der jüngste Spieler beginnt" - also immer der Markus, der Glückspilz (naja, er verliert trotzdem)! Dennoch, den scheinbaren Startspielervorteil (der offensichtlich keiner ist, gell Markus?) sollte man sich schon hart verdienen müssen. Daher folgende Variante:

Alle Spieler müssen vor Spielstart dreimal hintereinander den folgenden Satz aufsagen:

"Der Cottbusser Postkutscher putzt den Cottbusser Postkutschkasten."

Wer das a) fehlerfrei und b) am schnellsten schafft, ist Startspieler - so und nicht anders! Viel Spaß beim Üben - für Knoten in der Zunge übernimmt H@ll9000 selbstverständlich keine Haftung.