Rezension/Kritik - Online seit 11.10.2002. Dieser Artikel wurde 5500 mal aufgerufen.

Tenjo

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Autor: WhySpire? Games (Autorenteam)
Verlag: Whyspire? Games, USA
Rezension: Ferdinand Köther
Spieler: 2 - 4
Dauer: 240 - 300 Minuten
Alter: ab 14 Jahren
Jahr: 2001
Bewertung: 4,0 4,0 H@LL9000
4,3 4,3 Leser
Ranking: Platz 3423
Download: Kurzspielregel [PDF]
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Tenjo

Spielerei-Rezension

“Ein großer Titel, ein große, tierisch schwere Schachtel und ein großes Spiel, in jeder Hinsicht.” So begann meine Vorstellung eines Spiels in der SPIELEREI Nr. 55, und weil es auch hier so gut passt, zitiere ich mich mal selbst.

Tenjo ist etwas älter als das andere erwähnte Spiel, hat damit nichts zu tun, wurde in Deutschland erstmals auf der Spiel 2001 präsentiert und ist zwar sehr, aber nicht ganz so opulent in der Ausstattung.

Zu dem hübsch gestalteten, reichhaltigen Spielmaterial – Plastikfiguren, schöne Karten, zahllose “Samurai”-Scheiben, Geldnoten, wunderbar illustrierte Spielregel – steht das überdimensionale Spielbrett zunächst in krassem Gegensatz: auf den ersten Blick ein verwirrendes Schnittmuster ohne besonderen Blickfang für das Auge; scheinbar zahllose Punkte, durch wirre Linien verbunden, dazwischen andere Linien, die bei näherem Hinsehen das Spielfeld in Gebiete einteilen. Diese Gebiete sind Provinzen des mittelalterlichen Japans, die Linien sind Marschwege, auf denen sich die Samuraikrieger von Punkt zu Punkt bewegen. Weitere Spielfiguren sind die Daimyo, die maßgeblichen Kriegsherren, deren Anwesenheit in einer Provinz nötig ist, damit die dort befindlichen Samurai (riesige Armeen, dargestellt durch verdeckte Pappscheiben in Werten von …tausenden) sich bewegen und angreifen können. Daimyo wiederum ziehen von Provinz zu Provinz, nicht über die Marschwege, bedürfen aber wiederum des Schutzes dort anwesender Samurai, um nicht zu leicht in Feindes Hand zu fallen. Gleiches gilt für die Schattenkrieger, sozusagen jeweils eine Geisterarmee von 25000 mobilen Samurai, die sich blitzschnell von Provinz zu Provinz bewegen können, um vor Ort dann in “echte” Samuraikrieger umgewandelt zu werden.

Doch halt, das geht schon zu sehr ins Detail. Noch mal zurück zum Spielplan. Bei näherer Betrachtung fallen sowohl einige Punkte in Spielplanmitte als auch insgesamt acht große karoförmige Plätze ins Auge. Letztere sind die Plätze für die (imaginären) Burgen der Spieler, erstere sind Rohstoffplätze, die regelmäßiges Einkommen für diejenigen generieren, die sie kontrollieren. Die Burgen sind Hort für die Familien(karten) der Spieler und das Barvermögen.

Das Spiel läuft in Jahren ab, jedes Jahr wiederum ist in Monate unterteilt. In jedem Monat führen alle Spieler ihren Spielzug aus. Dieser besteht daraus, aus eventuell kontrollierten Rohstoffplätzen Einkommen zu beziehen, dann wird mit einem 10-Seiter die individuelle Zahl der Aktionspunkte bestimmt, die beliebig auf Bewegung der Samurai und Kämpfe verteilt werden können. Eine sog. Provinzbewegung gestattet auch noch die Bewegung eines eigenen Daimyo oder Schattenkriegers, die u. U. mehrere Provinzen weit ziehen können. Die Reihenfolge der Spieler wird für jedes Jahr zu Beginn per Würfelwurf neu festgelegt, ebenfalls, ob es reihum mit oder gegen den Uhrzeigersinn geht.

Die Kämpfe der Samurai hängen von deren Truppenstärke ab, vom Würfel und von Kampfkarten, welche die Spieler einsetzen können.

Zum Jahresende müssen Ausgaben für die Burgen geleistet werden, aber auch Einnahmen gibt es für Burgen und kontrollierte Provinzen, die man direkt in militärische Komponenten umsetzen kann. Schicksalskarten, die jeder Spieler ebenfalls zum Jahresende zieht, können gravierende Auswirkungen haben und reflektieren den Glauben des mittelalterlichen Japan an hohe übernatürliche Kräfte, die das Schicksal des einzelnen lenken.

Die Spieldauer ist sozusagen beliebig, man kann eine bestimmte Spielzeit festlegen, eine bestimmte Anzahl von Spieljahren oder ein Spieler kann sich zum Shogun ausrufen und hat dann bei Zustimmung aller anderen Spieler gewonnen, falls diese die Aussichtslosigkeit ihrer Lage einsehen. Ansonsten wird nach einem ausgeklügelten Punktesystem der Spielsieger bestimmt.

Es kann hier nur ein grober Überblick über Tenjo gegeben werden, manche Aspekte können nicht mal angerissen werden. Das Spiel bietet wenn auch nicht übermäßigen so doch enormen Detailreichtum, der sich auf 25 liebevoll illustrierten Regelseiten flüssig lesen und ob der logischen Feinabstimmung des innigst verwobenen Regelgeflechts bewundern lässt.

Noch nicht erwähnt wurde die Diplomatie, die im Spiel tatsächlich eine große Rolle spielt. Absprachen und Bündnisse, zwecks deren Festigung eigene Familienmitglieder(karten) als freiwillige Geiseln dienen, erhöhen den ohnehin sehr hohen Spielreiz. Dass dieser sich “Otto Normalspieler” nicht eröffnet, dürfte jedem klar sein, der bis hierher gelesen hat. Denn nicht jedermanns Sache sind eine Spielzeit von mindestens vier bis fünf Stunden, im Normalfall eher deutlich länger, ein komplexes, wenn auch leicht verständliches und recht klares Regelwerk, übrigens auch in Deutsch, und ein hohes Maß an Strategie, durchsetzt mit ökonomischen Aufbauelementen, Diplomatie und einem nicht zu leugnenden relativ hohen Glücksfaktor.

Letzterer bietet Anlass für manche Kritik, wenn auch überwiegend von Zeitgenossen, die den Sinn des Wortes “Spiel” nicht verstehen können – wobei durchaus zugestanden sei, bei einem Strategie- und Taktikspiel den Zufallsfaktor eher klein halten zu wollen. Aber auch hier bietet das Regelheft generelle Abhilfe, indem dazu ermuntert wird, eigene Regeln zu erfinden, und es werden auch einige optionale Regeln aufgeführt. Andererseits wird gerade dadurch die starke Schicksalsgläubigkeit und Mythologie dieser japanischen Ära dargestellt, z. B. konnte ein schlechtes Omen schon den Aufschub eines geplanten Angriffes bedeuten. Wie auch immer, eine bedenkenswerte Änderung sei hier empfohlen. Es gibt ja bekanntlich Leute, die fast dauerhaft schlecht würfeln (wie der Schreiber dieser Zeilen, der wohl kaum lange genug leben wird, um den statistisch bewiesenen Ausgleich noch erleben zu können) und sich daher wünschen, zumindest bei der Ermittlung der Aktionspunkte nicht benachteiligt zu sein.

Also kann man sich z. B. ein paar einfache Kartensätze machen (oder irgendwoher nehmen), mit beispielsweise den Werten 2-4-6-8-10-12, pro Spielzug setzt jeder Spieler eine Karte ein und muss erst alle durchspielen, bevor er sie wieder auf die Hand nimmt – pro Jahr wird der Satz also zweimal durchgespielt und alle haben insgesamt dieselbe Anzahl Aktionspunkte zur Verfügung. Ein einfaches und keineswegs neues Spielelement, aber sehr wirkungsvoll. Das Spielsystem lässt reichlich Spielraum für solche und ähnliche Änderungen oder Ergänzungen.

Meine Begeisterung für Tenjo ist unschwer zu erkennen – wer höchst ungewöhnliche, anspruchsvolle, lange Spiele mit bester Ausstattung liebt, für den ist Tenjo ein Edelstein erster Güte und verdient deshalb auch die absolute Höchstnote. Um so erstaunlicher, dass Tenjo mehr oder weniger aus Langeweile von einem Team junger Leute kreiert wurde, deren Spielhorizont bis dato bestenfalls Poker oder Monopoly umfasste, falls überhaupt – die Kenntnis Japans, seiner Kriegskunst und Mythologie, gepaart mit hoher Kreativität, frei von allen spielerischen Vorbelastungen, haben ein wunderbares Kunstwerk geschaffen, das seinesgleichen vergeblich sucht. Gleichermaßen unbelastet von Kenntnissen des Spielemarktes haben die Macher mit großem Risiko eine enorme Erstauflage finanziert, deren Absatz ich ihnen von Herzen wünsche, in Anbetracht der potentiellen Zielgruppe aber bezweifle. Genau wie im letzten Jahr hat auch in diesem Jahr jeder die Gelegenheit, dieses hervorragende Spiel auf der Spielmesse in Essen problemlos zu erstehen. Tenjo – Nur einer wird die Flammen des Krieges überleben!

Aber jeder Liebhaber anspruchsvoller Spieler sollte es versuchen!

Rezension Ferdinand Köther

In Kooperation mit der Spielezeitschrift

Spielerei

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Tenjo: 4,0 4,0, 2 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.04.04 von Ferdinand Köther
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.04.04 von Ulrich Fonrobert - Ein schönes Risiko im fernen Osten über mindestens 3-4 Stunden, in dem der 10er Würfel einen dermaßen großen Einfluss vor allem auf den Beginn der Partie ausübt, dass demjenigen, der 2 - 3 mal kleine Zahlen würfelt und so in einen kaum mehr aufzuholenden Rückstand gerät, jeglicher Spaß vergällt wird. Meiner Ansicht nach Hände weg von diesem sehr teuren Spiel. 

Leserbewertungen

Leserwertung Tenjo: 4,3 4.3, 3 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.04.04 von Karacan  - Die benannten Mängel der zu hohen Glücksabhängigkeit kann man ganz einfach durch eine schöne Regelvariante ausbessern: Statt eines 10-seitigen Würfels benutzt man zwei sechsseitige Würfel, statt des 20-Seiters für das Abwickeln der Kämpfe benutzt man zwei 12-Seitige.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.08.09 von Mike
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 22.03.15 von Simon - Unglaublich schöne, aufs Wesentliche reduzierte Aufmachung. Durch Klammern und Gegenklammern bei Kämpfen Taktieren ohne Ende möglich. Wer den (manchmal frustrierend hohen) Glücksfaktor reduzieren möchte, soll 2x6Seitige Würfel verwenden oder einfach alle möglichen Würfe von 1-10 als Karten ziehbar / wählbar machen. Für mich eine unterschätzte / verkannte Perle; leicht zu lernen, schwer zu gewinnen.

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