Rezension/Kritik - Online seit 19.04.2022. Dieser Artikel wurde 3174 mal aufgerufen.

Schichtwechsel: Die Förderung liegt in deiner Hand

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Autor: Thomas Spitzer
Verlag: Spielefaible
Rezension: Ferdinand Köther
Spieler: 2 - 4
Dauer: 60 - 90 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2021
Bewertung: 5,0 5,0 H@LL9000
5,0 5,0 Leser
Ranking: Platz 1474
Schichtwechsel: Die Förderung liegt in deiner Hand

Spielerei-Rezension

Die Förderung liegt in deiner Hand

Als Kind des Ruhrgebiets ist Thomas Spitzer dessen Geschichte eng verbunden und hat sie schon in manchen Spielen hervorragend umgesetzt (Haspelknecht Spielerei 111, Kohle & Kolonie Spielerei 104) und das ist ihm auch mit Schichtwechsel gelungen, so viel vorweg.

Die Förderung liegt in deiner Hand, sagt der Untertitel, aber nicht nur diese, denn Schichtwechsel ist ein vielschichtiges (haha) Spiel. Wir „kämpfen“ sozusagen an fünf Fronten: Kohleförderung und -verarbeitung, auf der Schichtleiste und auf der Schienen-, Straßen- und Kanalleiste.

Der Ablauf kann hier nur angerissen werden – es gibt viel zu tun, also fangen wir an. Viel zu tun gibt es schon in der Vorbereitung jeder Runde. Der Startspieler zieht je Spieler drei Klötzchen aus einem Beutel und verteilt sie nach eigenem Gutdünken (oder Schlechtdünken) an die Spieler: Kohle und/oder Abraum und/oder Grubenwasser. Startspieler zu sein ist gut, meistens, das kann auch nach hinten losgehen, wenn man die „schlechten“ Klötzchen zuerst an andere verteilt und dann zuletzt für sich selbst noch „schlechtere“ zieht. Jeder wählt ein Plättchen, das einen sofortigen bestimmten Vorteil bietet und gegebenenfalls einen weiteren, wenn man ein bestimmtes Bonusfeld freigeschaltet hat (s. u.). Das Grubenwasser steigt bei allen, was unschöne Folgen haben kann, man erhält Aktionsmarker abhängig von bestimmten belegten bzw. unbelegten Feldern, kann Koks verkaufen, sofern auf dem eigenen Tableau vorhanden (ab der zweiten Runde) und Bonusfelder nutzen, falls man diese durch den Bau von Zechenhäusern freigeschaltet hat (s. o.). Außer dem Grubenwasser gibt es übrigens keine so „ganz schlechten“ Klötzchen, auch mit dem Abraum lässt sich etwas anfangen.

Es folgt die Aktionsphase, gesteuert durch 21 Aktionskarten, die rund um den Spielplan herum verteilt sind. Dabei gibt es mehrere Gruppen, wobei jede Gruppe eine bestimmte Aktion darstellt, oft aufgeteilt in eine kleine, mittlere und große Aktion. Diese Größe bestimmt, wie oft man die Aktion ausführen kann, z. B. Kohle auf Kohlewaggons und/oder Abraum auf die Halde befördern, oder Kohle von den Waggons in die Kokerei (auf dem Spielplan) und natürlich auch zurück zum Verkauf auf das eigene Tableau. Man kann Fortschritte auf den oben genannten Leisten machen, was wieder bestimmte Boni einbringt, beispielsweise ein Zechenhaus zu bauen (wodurch, s. o., wieder ein Vorteil freigeschaltet wird).

Die Krux dabei ist, dass man dafür Aktionssteine braucht – jeder hat nur einen eigenen farbigen und normalerweise maximal drei neutrale (s. Vorbereitung). Außerdem verlangen manche Aktionskarten zwei davon, andere sogar ausdrücklich den eigenen farbigen, und die meisten Aktionen können nur von einem einzigen Spieler je Runde ausgeführt werden. Das verursacht angenehmes Kopfzerbrechen und sorgt für hohe Interaktion.

Eine zu Beginn der Runde aufgedeckte Rundenkarte bestimmt, was zum Schluss jeder der nur fünf Runden gewertet wird, zum Spielschluss folgt eine große Endwertung, bei der auch die gebauten Zechenhäuser gut zu Buche schlagen.

„Nur“ fünf Runden … aber die haben es in sich und wirbeln mächtig Kohlenstaub auf und lassen nicht nur die Schlote rauchen. Vieles kann in diesem groben Abriss nicht näher betrachtet werden, wie die Möglichkeit, eine Aktion zu kopieren, die Nutzung der eigenen Aktionskarte oder der Tausch von Abraum gegen Leistenfortschritt oder Geld oder die clevere Aufteilung der eigenen Waggons nach Laderaum für Kohle oder Abraum. Natürlich kann auch der Startspieler wechseln, und dann sind da noch die Werkstattmarker, die Minuspunkte bringen, und …

Schichtwechsel ist, sagte ich schon, sehr vielschichtig, die Verzahnungen sind enorm und wunderbar ausgetüftelt, Zufall spielt eine geringe Rolle und es ist unmöglich, an allen „Fronten“ zu kämpfen; man muss und sollte sich auf zwei, vielleicht auch drei konzentrieren, ein paar andere als Bonus mal mitnehmen. Kanal, Straße, Schiene, Bergmannsschicht, Kohleförderung und -verarbeitung – alles geht nicht und man sollte die anderen Spieler gut im Auge haben, um zu sehen, wo man sich am besten engagiert.

Im Prinzip ist alles gut geregelt, aber die Regel ist nur als brauchbar (trotz des schlechten und immer mehr um sich greifenden „du“-Stils) zu bezeichnen, obwohl sie (fast) alle nötigen Informationen enthält ... irgendwo. Manches ist schwammig oder ungenau formuliert, anderes steht an Stellen, an die es nicht hingehört. Dass die Aktionskarten beim Spielaufbau in zusammengehörigen Gruppen ausgelegt werden sollten, wäre beim ersten Spiel hilfreich zu wissen (auch wenn man schnell selbst darauf kommt), dass bei vollen Loren u. U. ein Werkzeugmarker genommen werden muss, ist (an ungeeigneter Stelle) erwähnt – bei vollen Waggons gilt gleiches, das ist woanders versteckt. In den fälschlicherweise „Baugruben“ (eine Baugrube ist ja immer nur für ein Haus) genannten Baugebieten können teilweise mehrere Häuser je Spieler gebaut und gewertet werden, das kann man zumindest annehmen. In manchen Baugebieten gibt es dann echte Baugruben ¬– eine Grube je Haus. Usw., aber genug davon an dieser Stelle – beim ersten Spiel sucht und blättert man viel herum, wobei die überwiegend gute Piktografie hilfreich ist.

Für Vielspieler kein großes Problem, und an die wendet sich Schichtwechsel. Schwamm, ach, Schwämmchen drüber – aber die helfende Hand eines Regelexperten hätte dem stellenweise etwas nachlässigen Werk gutgetan. Mehr oder weniger Kleinigkeiten, die sich lösen lassen, aber den Einstieg erschweren und vermeidbar wären. Grafik und Material sind in zu erwartender Qualität und der relativ junge Verlag Spielefaible hat hiermit eine weitere Perle im Angebot (es gibt auch kohlrabenschwarze Perlen).

Das harte Leben der Bergmänner im Pott spiegelt sich hier durch die harten, schwierigen Entscheidungen wider, dies es zu treffen gilt. Ein aktuelles Spiel macht immer den frischesten Eindruck, aber dies ist möglicherweise Thomas Spitzers bisheriges Meisterwerk und sei unbedingt trotz der überwindbaren Regelschwächen nicht nur „Ruhris“ empfohlen, sondern jedem, der anspruchsvolle Spielkost bevorzugt, auch wenn man Kohle nicht essen kann. Außer in bestimmten Fällen in Tablettenform, aber die dann zugrunde liegende Erkrankung trifft auf dieses Spiel definitiv nicht zu. Dieser Schichtwechsel wird immer wieder gerne vorgenommen!

Rezension Ferdinand Köther

In Kooperation mit der Spielezeitschrift

Spielerei

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Schichtwechsel: Die Förderung liegt in deiner Hand: 5,0 5,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 27.02.22 von Ferdinand Köther

Leserbewertungen

Leserwertung Schichtwechsel: Die Förderung liegt in deiner Hand: 5,0 5.0, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 20.11.21 von Everest - Was man auf dem eigenen Tableau macht, ist inhaltlich sehr schön umgesetzt. Was auf dem großen Plan stattfindet, kann thematisch sicherlich begründet werden, folgt aber eher gängigen Euromechanismen. Dabei geht es v.a. um das Vorrücken auf Leisten, was Vorteile oder Zusatzaktionen einbringt. Die nach Teilnehmerzahl skalierende Anzahl der Aktionsplätze balanciert gut zwischen Konkurrenz und verbleibender Auswahl. Kleinere Kniffe schaffen zusätzliche Interaktion. Schönes Spiel!
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 20.11.21 von Epmal - Sehr solides (positiv gemeint) WP, welches in allen bisherigen 4 Partien immer sehr kurzweilig war. Es ist immer schön, wenn augenscheinlich besetzte Aktionsfelder über Umwege doch möglich werden. Zudem erweitern sich Aktionen und das Rundeneinkommen erhöht sich ala Terra Mystica. Auch wenn das Spiel wie ein Promospiel der RAG aussieht, darf man es nicht unterschätzen oder vorverurteilen. Hier wird niemand enttäuscht, denke ich.