Spielziel
Bewegung! Alle Mann an Bord! Der Erste ist der Kapitän!
Es ist gar nicht so einfach, das eigene Schiff zu finden, wenn man frühmorgens am Hafen in völlig betrunkenem Zustand unter 8 Schiffen die Qual der Wahl hat.
In einer guten halben Stunde versuchen 3-8 Spieler, anhand von Bordkarten einen Weg entlang der Schiffe zu finden, der sie schließlich zum eigenen Boot führt. Dieser muss zunächst virtuell, anschließend möglichst am schnellsten real gefunden werden. Klingt kompliziert? Nein, so schlimm ist das eigentlich gar nicht.
Ablauf
Zur Spielvorbereitung werden 8 Schiffskarten großräumig im Kreis ausgelegt, in die Mitte kommt der Hafen-Spielplan. Jeder Spieler sucht sich einen Piraten aus und nimmt dessen Porträt, eine passendes Bullauge und die Fußlahmen unter den Spielern noch einen Marker (s. dazu Varianten) und setzen sich zufällig vor irgendein Schiff. Die Schiffe auf den Schiffskarten haben alle sechs verschiedene Merkmale, wovon sich vier in den Grundfarben voneinander unterscheiden: der Ausguck, die Segel, der Rumpf und ein Namensschild. Weitere Merkmale sind der Name des Schiffs und eine Zahl zwischen 1 und 8. Wichtig ist der Hinweis, dass die Zahlen jeweils nur einmal vorkommen, alle anderen Merkmale aber genau zweimal übereinstimmend (z.B. gibt es genau zwei Schiffe mit roten Segeln, 2 mit blauem Ausguck usw.).
Im Basisspiel werden 37 Bordkarten gemischt und fünf davon verdeckt neben dem Hafen ausgelegt. Nachdem in Reichweite eines und in Beobachtungsweite aller Spieler die siegbringenden Dukaten gebracht sind sowie ein Spieler zum Bootsmann bestimmt wurde, kann das Spiel beginnen.
Gespielt wird fünf Runden lang, die sich in vier Phasen unterteilen.
In Phase 1 haben die Spieler einen einheitlichen, leichten Auftrag: Sie stehen auf und stellen sich hinter ihren Stuhl. Ansonsten ist immer nur der Bootsmann aktiv: Er deckt entgegen der Leserichtung, d.h. von rechts nach links, die Bordkarten auf. Zeitgleich mit dem Aufdecken der letzten Karte ruft er den Befehl „Ablegen!“ als Startsignal für die Spieler.
Fazit
Nach Cash’n’Guns der neue Kurzweiler von den Belgiern mit den Sombreros, wie sich die Leute des Repos-Verlags selbst bezeichnen (wer den Stand auf der Messe in Essen besucht hat, wird sagen: zu Recht!).
Stabiles, für die Schachtelgröße üppiges Spielmaterial mit einer wie beim Vorgänger passenden grafischen Umsetzung im Comic-Stil durch Gérard Mathieu sorgt für eine hervorragende Einstimmung auf das Thema. Die klar strukturierte und verständliche Regel ist übersichtlich und ermöglicht einen schnellen Spieleinstieg. Die kurze Spieldauer verführt zu Wiederholungsrunden.
Den größten Spielreiz entwickelt sicher die Herausforderung, die Kombination von Kartenvorgabe und deren Umsetzung in zeitlichem Wettbewerb zu den Mitspielern möglichst schnell hinzubekommen. Die ausbrechende Hektik in dem Moment, in dem die ersten ihr Zielschiff identifiziert zu haben glauben und sich dementsprechend in Bewegung setzen, treibt einige der noch suchenden Spieler schier in den kurzzeitigen Wahnsinn, da Ablenkung in diesem Moment auf keinen Fall erwünscht ist. Trotzdem gelingt es fast immer auch dem langsamsten und schwerfälligstem Spieler irgendwann, die geistigen Klippen zu überwinden und sogar noch die ein oder andere Dukate zu gewinnen.
Ein klares Herausstellungsmerkmal: Der äußerst hohe Spielspaß lässt Enttäuschung über das eigene Scheitern gar nicht aufkommen - zu unterhaltsam ist das Spielgeschehen als solches.
Sind einander fremde Spieler in den ersten Runden noch gehemmt, bei identischer Platzwahl einfach auf dem Schoß des Mitspielers Platz zu nehmen, werden spätestens ab der dritten Runde die gesellschaftlichen (Eti)Ketten gesprengt. Man könnte meinen, aus den ehemals harmlosen Mitspielern seien wirklich blutrünstige Piraten geworden, die im Zweifel über Leichen gehen. Nicht selten ergeben sich während der Bewegung tumultartige Szenen wie aus besten Errol-Flynn-Filmen.
Insbesondere in möglichst hoher Besetzung birgt das Spiel Suchtpotenzial und könnte sich zu einem echten Renner entwickeln, wenn der limitierten Erstauflage von 500 Exemplaren mindestens eine weitere folgt. Ich könnte dies guten Gewissens befürworten.
Rezension André Beautemps
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Regelvarianten
Dem Basisset von 37 Bordkarten sind im Spiel weitere 15 Experten-Bordkarten beigefügt, welche eine höhere Komplexität als die Basiskarten besitzen. Weitere 6 Aktionskarten, die zwischen der dritten und vierten ausliegenden Bordkarte ausgelegt werden (je Spielrunde Eine), erhöhen den Verwinkelungsgrad des Gehirns.
Durch kleinere Piratenmarker, die den Spielern zur Verfügung gestellt werden können, besteht die Möglichkeit, die tatsächliche Bewegung zum Zielschiff auszuklammern und statt dessen seinen Marker auf dem Schiff zu platzieren. Diese Variante ist allerdings nur in sehr engen Räumlichkeiten oder bei Teilnahme von physisch benachteiligten Spielern zu empfehlen, da dem Spiel ein wesentlicher Spaßfaktor abhanden kommt.
Wer ein Exemplar der Erstauflage in Essen ergattern konnte, darf sich über die Erweiterung „Blackbeard“ freuen. Durch eine zu Beginn jeder Spielrunde zufällig gezogene Blackbeardkarte, die eine der Schiffszahlen zeigt und die nach Besichtigung durch jeden Spieler verdeckt auf den Hafenbereich gelegt wird, wird ein Schiff zum Blackbeardschiff. Das bedeutet, wenn man durch das Ausführen einer Bordkarte auf dem Blackbeardschiff landen würde, der Spieler diese Bordkarte nicht ausführen darf und statt dessen die nächste Karte am gleichen Standort ausführen muss. Erhöht die Wahrscheinlichkeit des identischen Zielschiffs mehrerer Spieler und sorgt damit für engen Kontakt der Mitspieler untereinander!