Rezension/Kritik - Online seit 13.11.2015. Dieser Artikel wurde 6588 mal aufgerufen.

Kolejka

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Autor: Karol Madaj
Illustration: Natalia Baranowska
Marta Malesińska
Verlag: HUCH!
Instytut Pamięci Narodowej (IPN)
Rezension: Edgar Ameling
Spieler: 2 - 5
Dauer: 60 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2012
Bewertung: 4,0 4,0 H@LL9000
3,6 3,6 Leser
Ranking: Platz 5083
Kolejka

Spielziel

Oft wird ja gesagt, dass früher alles besser gewesen sei. Das mag zwar in mancherlei Hinsicht zutreffen, stimmt jedoch auch nicht in allen Belangen. Vor allem zu Zeiten des real existierenden Sozialismus war vieles schwieriger als heute. Das gilt ganz besonders für das Einkaufen. Wo man heute einfach in den Laden geht, um das benötigte Gut zu kaufen, musste man früher lange anstehen. Für die meisten jüngeren Leute mag das heute kaum vorstellbar sein, und um dieses Gefühl nacherlebbar zu machen, haben sich ein paar findige Polen zusammengesetzt und ein Spiel entwickelt, das in dieser Zeit angesiedelt ist.

Ablauf

SPIELZIEL
Wir sollen für unsere Familie einkaufen. Zu Beginn des Spiels erhält jeder einen Einkaufszettel mit insgesamt 10 Gegenständen aus 4 verschiedenen Warengruppen. Insgesamt gibt es 5 Warengruppen. Wer als Erster seine Einkäufe erledigt hat, gewinnt.

SPIELVORBEREITUNG
Zu Beginn des Spiels werden die Warenkarten gemischt und auf den Nachziehstapel gelegt. Anschließend bekommt jeder einen Einkaufszettel, auf dem die zu besorgenden Waren stehen. Danach bekommt jeder noch die 5 Holzfiguren, die die Familienangehörigen darstellen sowie 10 verschiedene Charakterkarten, mit denen in der Drängelphase die Reihenfolge in der Warteschlange beeinflusst werden kann. Zum Schluss wird noch jeweils eine Karte jeder Warengruppe als Tauschobjekt an den Marktstand gestellt.

SPIELVERLAUF
Kolejka läuft über eine unbestimmte Anzahl von Runden. Jede Runde geht über 6 Phasen und läuft immer nach demselben Schema ab: Anstellen, Warenlieferung, Drängelei, Ladenöffnung, Tauschen, Aufräumphase. Dies wird so lange wiederholt, bis ein Spieler alle Waren seines Einkaufszettels beisammen hat.

I. Das Anstellen funktioniert ganz einfach: Alle Figuren, die noch nicht anstehen, werden reihum an das Ende einer beliebigen Schlange gestellt, bis man entweder keine Figur mehr hat oder einfach passt. Fertig.
(Natürlich wird man ein wenig planen, was es theoretisch wo zu holen gibt und wie lang die Wartezeit sein wird)

II. Auch die Warenlieferung läuft ganz simpel: Vom Stapel werden Karten aufgedeckt, diese bestimmen, in welche Geschäfte und in welcher Stückzahlen Waren geliefert werden. Fertig.

III. Mit der Drängelei kommt nun das taktische Element ins Spiel. Für diese Phase stehen jedem Spieler insgesamt elf Karten zur Verfügung, davon hat er stets jeweils 3 als Handkarten auf der Hand, die reihum einzeln ausgespielt werden. Mit diesen Karten muss man jedoch fünf Runden lang auskommen; erst dann kommen sie zurück in den persönlichen Nachziehstapel. Das bedeutet, dass man nicht jede Runde alle 3 Karten ausspielen kann. Mitunter ist das auch gar nicht sinnvoll. Diese Karten ermöglichen es, die Reihenfolge in der Warteschlange zu beeinflussen.

Man kann sich entweder vordrängeln, andere nach hinten verschieben, etwas außerhalb der Reihenfolge bekommen oder die Reihenfolge in der Schlange komplett umkehren. Es besteht auch die Möglichkeit, Warenlieferungen zu vertauschen oder Läden während einer Runde komplett zu schließen. Manchmal wird das Warenangebot auch einfach nur verknappt.

IV. Ist die Drängelei vorbei, kommt die Zeit der Ladenöffnung: Die vordersten Kunden in der Schlange dürfen sich jeweils eine Ware aus dem Geschäft aussuchen und gehen damit nach Hause. Da jeder Laden einer Kategorie (Lebensmittel, Möbel, Schneiderei …) angehört, gibt es meist nur eine Warengruppe zur Auswahl. Durch die Fehllieferung können jedoch auch zwei oder mehr Warengruppen verfügbar sein. Wenn ein Laden leer geräumt ist, haben die verbliebenen Wartenden Pech gehabt – sie können ihr Glück in der nächsten Runde versuchen und sich bis dahin die Füße in den Bauch stehen.

Normalerweise freut man sich darüber, wenn man etwas ergattert hat. Wenn es jedoch eine „falsche“ Ware war, so hat man nun die Möglichkeit, am Markt zu tauschen. Dafür muss man sich allerdings vorher beim Markt angestellt haben. Das Gute am Markt ist: Alle kommen an die Reihe, egal wie viele sich angestellt haben. Auch die Tauschmenge ist unbegrenzt: Man darf so viel tauschen wie man will! Üblicherweise wird hier 2:1 getauscht, nur die Ware, bei der sich die Marktfrau gerade befindet, darf 1:1 gehandelt werden.

V. Als Letztes kommt nun die Aufräumphase: Die Lieferkarten der Vorrunde werden abgelegt, die Marktfrau wandert zur nächsten Ware. Wer möchte, kann nun Figuren aus den Warteschlangen nach Hause holen. Dann geht’s weiter in die nächste Runde!

VI. Nach dem Ende der 5. Runde endet die Arbeitswoche, und es kommt der Samstag. Das bedeutet, dass auf dem Spielplan ein wenig aufgeräumt werden muss: Zuerst muss der Papierkorb geleert werden, d. h. alle dort abgelegten Lieferkarten werden gemischt und wieder verdeckt bereitgelegt. Danach werden alle ausgespielten Aktionskarten an ihre Besitzer zurückgegeben. Anschließend werden sie von ihren Besitzern gemischt und unter den eigenen Nachziehstapel gelegt oder wenn der Stapel bereits aufgebraucht war, als neuer Nachziehstapel bereitgelegt. Zu guter Letzt wird die Marktfrauenfigur auf das erste Marktfeld zurückgesetzt, und eine neue Runde kann beginnen.

Das Spiel ist sofort aus, wenn ein Spieler seine letzte benötigte Ware bekommen hat – er ist der Sieger.

Fazit

Kolejka ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Spiel. Das fängt schon mit dem ungewöhnlichen Thema an, das durch viele wissenswerte Hintergrundinformationen historisch aufgearbeitet wird. Dadurch wird die Spielanleitung fast schon zu einer Art Mini-Geschichtsbuch, das in insgesamt 6 verschiedenen Sprachen beigefügt ist.

Die Karten sind auch bei der internationalen Version mit polnischen Texten bedruckt. Wenn man jetzt kein Polnisch versteht, ist das dennoch kein Problem, denn für jede Sprache liegen zwei Bögen mit Aufklebern bei, um die Überschriften der Karten und Kartentexte zu überkleben und mit der gewünschten Sprache zu versehen. Das ist natürlich ziemlich fummelig und einige Arbeit, bevor man mit der ersten Partie starten kann. Insofern kann man nur hoffen, dass sich die Arbeit bewährt und die Aufkleber dauerhaft halten.

Wer im Kapitalismus aufgewachsen ist, hat Monopoly gespielt. Wer im Kommunismus aufgewachsen ist, der hatte zwar nichts, kann das aber jetzt nochmal so richtig spielerisch nacherleben. Das Spiel ist in Polen 2011 erschienen und hat dort rasch sämtliche Beliebtheitsrekorde gebrochen. 2012 wurde es in Polen sogar zum Spiel des Jahres gewählt. Nachdem von dem Spiel 70.000 Exemplare verkauft worden sind, hat man sich dazu entschlossen, auch eine mehrsprachige Variante aufzulegen. Erfunden wurde das Spiel von Karol Madaj, einem Mitarbeiter des polnischen Instituts des nationalen Gedenkens - in gewisser Weise vergleichbar mit unserer Stasiakten-Behörde. Ursprünglich war das Ganze eigentlich nur als nicht-kommerzielles Bildungsprojekt gedacht, hat aber dann eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt.

Das Spielziel zu erreichen, klingt auf den ersten Blick einfach, ist aber bei genauerem Hinsehen mit einigen Tücken und Unwägbarkeiten behaftet. Daher ist langfristige Planung in diesem Spiel nur bedingt möglich. Zwar weiß man, dass das einmalige Durchspielen des Stapels für alle Waren denselben Nachschub bringt und jede Ware einmal in den Genuss des günstigen 1:1-Tausches kommt. Wenn es nach dem Mischen in den zweiten Durchlauf geht, wird es jedoch etwas glückslastig. Der Grund dafür liegt darin, dass der zweite Durchlauf oft nicht zu Ende gespielt wird. Liegen dann viele Lieferkarten einer bestimmten Warensorte weit unten im Stapel und sind keine entsprechenden Waren im Markt vorhanden, hat man faktisch keine Chance, an die benötigten Waren zu kommen. Wenn man dagegen mehr Glück hat und die benötigten Waren in großer Stückzahl relativ früh ins Spiel kommen, hat man natürlich viel eher die Chance, den Sieg erringen. Üblicherweise ist der Spielausgang bei Kolejka aber relativ knapp.

Trotz dieser Kritikpunkte hat dieses Spiel bereits in einigen meiner Spielerunden regen Anklang gefunden, weil der Spielverlauf immer wieder Überraschungen bereithält und dieses Spiel auch eine hohe Dynamik und wenig Wartezeiten hat. Jeder kann jedem seinen geplanten Spielzug durchkreuzen, so dass zudem auch ein hoher Ärgerfaktor mit im Spiel ist. Allerdings macht das genau den Reiz dieses Spiels aus und kommt deswegen immer wieder gerne auf den Spieltisch.

Das Design des Spiels wirkt auf den ersten Blick ein wenig nüchtern, besticht jedoch bei genauerem Hinsehen durch seine detailverliebte Gestaltung, da viele Zeichnungen auf den Karten Original-Gegenständen aus der Zeit der 60er- und 70er-Jahre nachempfunden sind. Auch die ausführlichen Erläuterungen in der Spielregel und die historische Aufarbeitung der Thematik verdienen großes Lob.

Da in Polen vor allem in den 80er-Jahren fast alles Mangelware und manche Produkte nur auf Lebensmittelkarten zu haben waren, wirkt das Spiel realistisch. Die Spielregeln sind in wenigen Sätzen erklärt und selbst Gelegenheitsspieler haben den Spielmechanismus nach kurzer Zeit verinnerlicht. Das Ganze hat zwar ein bisschen was von Malefiz oder Mensch ärgere Dich nicht, ist aber deutlich origineller und vom Spielverlauf her immer wieder anders, so dass auch ausgeprägte Vielspieler sich gerne immer wieder zu einer Partie Kolejka überreden lassen.

Rezension Edgar Ameling

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Kolejka: 4,0 4,0, 2 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 23.04.15 von Edgar Ameling - FAZIT Da in Polen vor allem in den 80er-Jahren fast alles Mangelware und manche Produkte nur auf Lebensmittelkarten zu haben waren, wirkt das Spiel realistisch. Die Spielregeln sind in wenigen Sätzen erklärt und selbst Gelegenheitsspieler haben den Spielmechanismus nach kurzer Zeit verinnerlicht. Das ganze hat zwar ein bisschen was von „Malefiz“ oder „Mensch ärgere Dich nicht“, ist aber deutlich origineller und vom Spielverlauf her immer wieder anders, so dass auch ausgeprägte Viel-Spieler sich gerne immer wieder zu einer Partie „Kolejka“ überreden lassen.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 21.12.15 von Michael Timpe - Ein Spiel das sehr dicht am Thema ist und meine Erinnerungen an vergangene DDR-Besuche weckt. Spielerisch aber eher mittelmässig

Leserbewertungen

Leserwertung Kolejka: 3,6 3.6, 5 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 13.11.15 von Björn - Ja, realistisch wirkt das schon. Die Aufmachung ist nicht mein Ding, aber doch recht originell. Die Beliebtheit des Spiels ist mir trotzdem ein Rätsel; es verläuft recht gleichförmig, ist bei mehreren Spielern mäßig planbar und das schlimmste, es kann gegen Ende, wenn mehrere Spieler ihre Einkaufskarte fast erfüllt haben, zu mehreren Runden Leerlauf kommen.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 13.11.15 von Dennis L.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 13.11.15 von Maja - Kam in unseren Runden sehr gut an.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 16.11.15 von ravn - Idee, Aufmachung und Optik ist wirklich gelungen. Leider kann der spielerische Ablauf da nicht mithalten. Im Kern verändert man über Aktionskarten die Anstellreihenfolge und am Ende bleibt Chaos übrig, weil wirklich niemand abschätzen kann, wo man landet und was überhaupt zum Verkauf kommt. Schnell gespielt kann es schon tragen. Mit Grüblern, die über ein spielerisches Nichts grübeln (wie in Herne 2015 miterlebt), ist es einfach nur überflüssig. Was bleibt, ist eher eine einmalige Spielerfahrung, man lacht und scherzt über das Thema und dann ist auch irgendwann gut.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 21.04.18 von Christiansen

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