Rezension/Kritik - Online seit 29.08.2011. Dieser Artikel wurde 9085 mal aufgerufen.

Junta: Viva el Presidente!

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Autor: Sebastian Resl
Christoph Reiser
Illustration: Hans-Georg Schneider
Claus Stephan
Martin Hoffmann
Verlag: Pegasus Spiele
Rezension: André Beautemps
Spieler: 3 - 5
Dauer: 45 - 60 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Jahr: 2010
Bewertung: 4,7 4,7 H@LL9000
4,8 4,8 Leser
Ranking: Platz 989
Download: Kurzspielregel [PDF]
Junta: Viva el Presidente!
Auszeichnungen:2011, Golden Geek Bestes Partyspiel Nominierung

Spielziel

"Hier, mein Freund, ich weiß Loyalität überaus zu schätzen!" - "Ay Caramba, Senor Presidente, dafür werden meine Männer Sie Tag und Nacht beschützen." - "Das hört sich gut an. Ich will morgen meinen neuen Hubschrauberlandeplatz auf dem Palastgelände einweihen, da dürfen unter keinen Umständen irgendwelche unangenehmen Zwischenfälle wie diese vermaledeiten Überraschungsangriffe der Rebellen passieren. Sorgen Sie dafür!"

Tja, wie genau sorgt man eigentlich dafür, dass dem Herrn mit der Sonnenbrille nichts passiert? Und ist es auch ratsam, dies zu tun? Willkommen zurück in der República de las Bananas, 24 Jahre nachdem die ersten deutschen Touristen dieses schön bestechliche Land betraten.

Ablauf

Zunächst besorgt man sich ein Spieltableau, auf dem das eigene Anwesen abgebildet ist und einige der dazu farblich passenden Würfel als seine eigenen Milizen.

Außerdem erhält man einen Sichtschirm sowie eine Übersichtskarte. Letztere enthält in groben Stichpunkten den Spielablauf, der Runde für Runde analog durchgeführt wird.

Da wäre nach der ersten Präsidentenbestimmung per Würfelentscheid zunächst das Ziehen von Karten durch eben jenen frisch ins Präsidentenamt gejagten Spieler. Den Präsi erkennt man im übrigen an seinem Charakteristikum, der Präsidentenbrille. Aus der gezogenen Kartenauswahl darf der Präsident nach freiem Gusto auswählen, wie viele und welche Karten er den anderen Mitspielern als Versprechungen hinlegt. Mindestens eine Karte muss für jeden anderen Spieler herausspringen, nach oben sind die Grenzen offen.

Nachdem jeder Spieler seine potenziellen Karten gesichtet hat, entscheiden alle Spieler außer dem Präsidenten hinter ihrem Sichtschirm, ob sie entweder sich selbst verteidigen, einen Mitspieler oder den Präsidenten angreifen bzw. ihn gar unterstützen wollen. Dies wird mittels der eigenen Würfel geregelt, jedoch völlig ohne Zufallsprinzip.

Jedem Spielertableau ist eine Augenzahl fest zugeordnet. Will man verteidigen, kommt die eigene Zahl nach oben. Will man den Präsidenten unterstützen, wird immer die Sechs nach oben gelegt und bei einem Angriff auf einen anderen Spieler die Augenzahl des Mitspielers. Man darf die Würfel auch aufteilen, jedoch nie gleichzeitig einen Angriff auf den Präsidentenspieler und dessen Verteidigung planen (wäre vermutlich auch ein wenig sinnfrei).

Durch gleichzeitiges Offenlegen der gewählten Strategien für die laufende Runde wird offenkundig, ob die nächste Phase stattfindet, das wäre dann die Austragung von Kämpfen. Hier wird mit der entsprechend eingesetzten Anzahl von Würfeln unter etwaiger Modifikation durch Karteneinsatz einfach auf die höhere Gesamtsumme gewürfelt. Dabei kann es vorkommen, dass mehrere Spieler gleichzeitig einen anderen angreifen, dann ist die Verteidigung ungleich schwerer, da die Würfelsumme aller Angreifer summiert wird und man sich nicht im steten 1:1-Duell misst. Wenn niemand den Präsidenten angegriffen hat, gehen sofort alle versprochenen Karten in den endgültigen Besitz der Spieler über. Erst danach werden etwaige Kämpfe ohne präsidiale Beteiligung ausgefochten. Hierbei kann ein erfolgreicher Angreifer (die eigene Würfelsumme ist höher als die gegnerische) noch Beute in Form von Karten machen. Beim erfolgreichen Angriff auf den Präsidenten wird der Spieler mit dem höchsten Kampfwert neuer Präsident.

Sind alle Mitspieler für mindestens eine Runde friedfertige Lämmer (kein Angriffswürfel wurde gesetzt), entfällt diese Phase und es geht gleich weiter zum Geldausgeben. Die gezogenen und versprochenen Karten können sowohl Vorteile während einer Kampfphase als auch Geldsummen einbringen. Letztere kommen nun - sofern je Spieler gewünscht - zum Einsatz und ermöglichen sowohl den Zukauf weiterer Milizen (Würfel der eigenen Farbe) und Karten als auch Prestigegebäude, welche die Spielende bestimmenden Siegpunkte bringen und auch noch den eigenen Verteidigungswert erhöhen.

Ganz zum Schluss einer Runde wird ein geltendes Handkartenlimit überprüft und bei Nichteinhaltung müssen überschüssige Karten abgeworfen werden. Sobald ein Spieler mindestens seinen insgesamt 5. Prestigepunkt holt, endet das Spiel. Wer nun die meisten Punkte ergattern konnte (es gibt noch 2 Karten mit je 1 Punkt), ist unmoralischer Sieger.

Fazit

So hatte ich mir das nicht vorgestellt: Bei diesem Spiel gibt es ganz klar zwei Meinungen. Die Trennlinie der beiden Fraktionen verläuft exakt entlang des Wissensäquators ob des großen Vorgängers dieses Spiels, dem originären Junta. So will ich denn zunächst die Punkte behandeln, bei denen Einigkeit in allen Lagern herrscht.

Das Spielmaterial ist stimmig und stimmungsvoll. Eigentlich auch ein Supergedanke, den Sichtschirm als Militärlaster zu gestalten und die Seitenteile tatsächlich per Falzlaschen mit dem Mittelteil zu einer Quaderform zu verbinden. Leider ist die materielle Umsetzung an genau diesem Punkt mangelhaft geraten. Wir haben uns wirklich bemüht und sind keine Abonnenten der Fachzeitschrift "Grobmotoriker heute", haben aber bei aller Vorsicht und Mühe bereits vor dem ersten Spiel bei zwei der fünf Sichtschirme die Einstecklaschen komplett ab- und bei zwei weiteren immerhin angerissen. Tesa hilft und wenigstens weist die Spielregel darauf hin, dass das Tiefziehteil im Schachtelinneren so konzipiert ist, dass die Sichtschirme nicht wieder auseinandergenommen werden müssen. Dennoch verhindert dieses Malheur eine höhere Note bei der materiellen Ausstattung.

Das Regelwerk ist besser geraten: Auf übersichtlichen sechs Seiten mit reichlicher Bebilderung und Beispielsunterstützung ist bereits alles erklärt, was an Wissen benötigt wird. Ergänzt wird das Gesamtwerk um die Einstiegsseite mit dem Ausstattungsindex, den Regeln für das Expertenspiel (siehe Variante) und einer Übersicht über die unterschiedlichen Karten. Alles drin, alles dran, nicht zu kurz, nicht zu lang.

Ab hier trennen sich dann die Wege: Kenner des "Original"-Spiels vergleichen gerne die hier vorliegende Ausgabe mit dem Vorläufer und fühlen sich in ihren Möglichkeiten und dadurch dem Spielgefühl zu sehr verknappt. Jenen Humanoiden, welche diese Bananenrepublik erstmalig betreten, fehlt selbstverständlich diese Vergeichsmöglichkeit. Diese haben daher deutlich weniger Probleme und als Folge mehr Spielspaß. Ich werde keine Vergleiche zwischen den beiden Versionen darstellen, für mich sind dies - auch wenn insbesondere die thematische Grundidee identisch ist - zwei unterschiedliche Spiele. Dennoch würde auch ich bei freier Wahl den großen Bruder diesem Nachkömmling vorziehen. Warum?

Das gewählte Thema und die Umsetzung wird manch sensiblerem Zeitgenossen ohnehin fragwürdig erscheinen, schließlich geht es hier um die überspitzte Darstellung immer noch realer politischer Verhältnisse in Entwicklungs- bzw. Schwellenländern. Wer sich auf diese satirische Art und Weise mit einem solchen Thema auseinander setzen mag, tut dies meiner persönlichen Erfahrung nach dann auch mit Hingabe. Und hier punktet Alt gegen Neu: Durch die viel größere Spieltiefe wird diese Politsatire eindeutig besser, intensiver und mit deutlich mehr Einfluss- und Spielmöglichkeiten versüßt. Das aktuelle Spiel ist von der Komplexität her absolut familientauglich, wird aber in diesen Kreisen vermutlich eher selten auf den Tisch gebracht. Und das ist dann wohl hautpsächlich auf das Thema zurückzuführen, welches bei einigen Testspielern schon die Überredungskünste eines Guerillaanwerbers ("Hinsetzen!! Spielen!!!") bedurfte, um sie an den Tisch zu locken.

Wer auf diese oder eine andere perfide Weise an den Tisch und damit an das Spiel gelockt wurde, wird schnell feststellen, dass im Verlauf des Spiels ständig neue "Allianzen" geschmiedet werden und ein gerüttelt Maß an Gemeinheit ein nicht unerheblicher Faktor bei der eigenen Siegstrategie ist. Mitmenschen, denen solche Eigenarten völlig fremd sind und diese Anforderungen in Gesellschaftsspielen für deplatziert halten, können sich für eine von zwei Alternativen entscheiden: Entweder wird dieses Machwerk aus genau diesem Grund ignoriert oder es eignet sich ebenfalls aus diesem Grund dazu, ein solches Verhalten innerhalb einer spielerischen Umsetzung zu üben. Wichtig ist nämlich bei aller eigenen Boshaftigkeit stets gleichzeitig die Bereitschaft aufzuweisen, auch bei übelster Mitspielerei durch die netten Juntakollegen im Bedarfsfall schon in der nächsten Spielrunde alles vergessen und vergeben zu haben, da sich der eben noch als Intimfeind präsentierende vielleicht jetzt als wertvoller Verbündeter missbrauchen lässt.

Immerhin gibt es auch eine sehr wichtige und frohe Kunde für die Junta-Bevorzuger: Die elementarste Karte von allen (siehe rechts) ist auch für dieses Spiel als unverzichtbarer Bestandteil deklariert und demzufolge beigefügt worden. Warum ist diese Karte wichtig? Ganz einfach: Wer den Sinn dieser Karte versteht und darüber herzlich bitter lacht, ist absolut Junta-kompatibel. Wem dies nicht gelingt, dem wird dieses Spiel nicht die möglichen Reize bieten. Wenigstens möchte ich den Altrecken noch zurufen, dass man auch hier durch bewusste Falschaussagen und -ankündigungen hervorragend lange Gesichter en masse zaubern kann und die Spieldauer von maximal einer Stunde bei Zeitknappheit einen echten Vorteil bietet. Alles hört auf mein Kommando: Auf die Entwicklungsgelder, fertig, Putsch!

Rezension André Beautemps

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

Regelvarianten

In der so genannten "Expertenversion" des Spiels erhöht sich die Spielendebedingung auf ein Minimum von 6 Punkten, dafür zählt die Präsidentenbrille ebenfalls einen Punkt. Bei Kämpfen darf als Ausgleich für das Erwürfeln einer 1 eine gegnerische Miliz zerstört werden (nach Abrechnung des Kampfes), d. h. der Würfel kommt wieder in den allgemeinen Vorrat. Dazu darf der Präsident nicht nur Handkarten, sondern auch seine eigenen Milizen versprechen, wobei er immer noch selbst bestimmt, welche Zahl oben liegt.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Junta: Viva el Presidente!: 4,7 4,7, 3 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 27.06.11 von André Beautemps - Die Aufmachung wäre eigentlich locker auf eine 5 gekommen, wenn nicht zu Beginn das "Sichtschirmmassaker" passiert wäre...
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.08.11 von Michael Andersch - Klasse Bluffspiel!
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 29.08.11 von Rene Puttin - Das grandiose Junta in abgespeckter Version aber immer noch mit viel Boshaftigkeit in akzeptabler Spieldauer, klasse!

Leserbewertungen

Leserwertung Junta: Viva el Presidente!: 4,8 4.8, 6 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 29.07.11 von Daniel_ms - ich liebe dieses spiel. es sollte als lockeres Spassspiel bewertet werden. in dieser Kategorie hat es ganz locker die höchstnote verdient. tolles material. (auch die sichtschirme sind kein wirkliches problem), tolle grafik, tolles spielprinzip. locker und trotzdem mit einem gewissen tiefgang zu spielen. immer wieder gerne! für mich PERFEKT! hoffe auf neue kartensätze
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 08.08.11 von micha - Nicht mit dem großen Bruder vergleichbar. Einfach zuviel glück!
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 30.08.11 von Jörg L. - Das Spiel macht Spass. Nicht mehr und nicht weniger möchte ich dazu schreiben. Das Material finde ich sehr gut. Die Sichtschirme sind zwar etwas fummelig zum aufbauen, aber das ist nur einmalig und nicht das so große Problem!! Das \"Große\" Junta kenn ich nicht, aber man sollte das Spiel, so denke ich, von dem \"anderen\" Juntaspiel völlig losgelöst betrachten
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.09.11 von Carlo - Ist nicht zu vergleichen mit dem "grossen Bruder" und gerade deshalb hat es sehr gefallen. Fies und herrlich politisch inkorrekt.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 09.04.12 von Hein Heinrich - Ein wirklich böses Spiel !
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 20.01.13 von Maik Bretschneider - Ein locker flockiges Ärgerspiel ohne großen Platzbedarf und ohne langes Vorstellen der Spielregeln. Nichts Innovatives aber durchaus ein erfrischender Mix aus Bluff und Glückspiel, der hervorragend zum Spielthema passt. Kleine Kritikpunkte: Dass Vorsicht beim Aufbau der Sichtschirmchen geboten ist, darf man durchaus zu Beginn der Spielregel bekanntgeben. Eine Ergänzung der Handkarten um ein paar Gemeinheiten mehr (Erweiterung), würde dem Spielreiz noch eins draufsetzen.

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