Rezension/Kritik - Online seit 21.06.2020. Dieser Artikel wurde 3657 mal aufgerufen.

Century: Eine neue Welt / A New World

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Autor: Emerson Matsuuchi
Illustration: Chris Quilliams
Atha Kanaani
Verlag: Plan B Games
Rezension: Michael Timpe
Spieler: 2 - 4
Dauer: 30 - 45 Minuten
Alter: ab 8 Jahren
Jahr: 2019
Bewertung: 3,5 3,5 H@LL9000
Ranking: Platz 4703
Century: Eine neue Welt / A New World

Spielziel

Eine Spielidee in drei Varianten als drei Spiele, die am Schluss wieder ein Spiel werden. Ein Fall von genialer Bauernfängerei oder tatsächlich die Umsetzung einer so gehaltvollen Idee, dass sie in allen drei Varianten glänzen kann? Die Century-Trilogie dekliniert die Varianten des „tausche a in c in b“ durch. Erst als einfaches Kartenspiel, dann als klassisches Handelsspiel mit Schiffen und Kontoren und jetzt schließlich in Eine neue Welt als Jäger und Entdecker mit worker-placement. Und wer von all diesem Tauschen gar nicht genug kriegen kann, kann auch noch zwei oder alle drei Spiele zusammen als ein großes Spiel spielen.

Ablauf

Wer eins der anderen Century-Spiele schon kennt, der findet sich schnell zurecht: Es gibt wieder Warenklötzchen in 4 Farben mit aufsteigendem Wert von Gelb über Rot, Grün bis Braun. Auf dem Spielfeld gibt es diverse Felder, die einem erlauben, meist mehrere gleiche Klötzchen in andere zu tauschen, z. B. 3 rote in 2 braune Klötzchen, oder auch 1 braunes in 6 gelbe. Mit der richtigen Kombination aus so erworbenen Klötzchen können dann Siegpunktkarten eingetauscht werden. Soweit die Basis, die in allen drei Spielen gleich ist.

In Neue Welt jetzt ist der Zugang zu neuen Ressourcen, den Tauschfeldern und auch den Siegpunkten über worker-placement geregelt. Jedes Feld gibt vor, wie viele Arbeiter eingesetzt werden müssen, um die dortige Aktion auszuführen. Ist bereits ein Mitspieler auf dem Feld, kann dieser mit einem Arbeiter mehr von dort verdrängt werden. Die verdrängten Figuren erhält der Mitspieler zurück, wird sich also in der Regel darüber freuen, da ihm die wieder freien Arbeiter neue Einsatzmöglichkeiten eröffnen. Denn hat man keine freien Arbeiter mehr, muss man eine Runde darauf verwenden, alle Arbeiter wieder einzusammeln.

Der Clou des Spiels bzw. auch die größte Differenz zu den vorherigen 2 Spielen liegt in den Siegpunktkarten. Diese bringen neben den reinen Siegpunkten noch zwei weitere Eigenschaften mit: Zum einen hat jede Karte einen „im Spiel“-Bonus. Das kann sein, dass man auf bestimmten Feldern weniger Arbeiter braucht, bei einigen Aktionen eine Bonusressource erhält oder auch einfach noch mehr Arbeiter aus seinem persönlichen Vorrat aktivieren darf.

Darüber hinaus gehört jede Karte zu einer von vier Kartengruppen – angezeigt über das Symbol oben rechts auf der Karte. Im Verlauf des Spiels kann man dazu Siegpunktmultiplikatoren erhalten, die für bestimmte Symbole oder Kombinationen von 2 Symbolen am Ende Siegpunkte einbringen.
Meine Frau steht also ständig vor der Quadratur des Dreiecks: Welchen Bonus hätte ich gerne im Spiel, welche Symbole brauche ich am Ende für die Wertung, und für welche Karten hab ich überhaupt die passenden Ressourcen?

Erwirbt ein Spieler seine achte Punktekarte, wird die Runde noch zu Ende gespielt, dann erfolgt die Abrechnung: Übrige Ressourcen (außer Gelb) je 1 Punkt. Dazu die Siegpunkte der Karten und der Symbolkombinationen. Hier ist wichtig drauf zu achten, dass jede Kombination einzeln betrachtet wird. Eine Symbolgruppe kann also durchaus zwei oder sogar 3-mal gewertet werden, wenn man sie entsprechend mehrfach auf verschiedenen Multiplikatoren drauf hat.

Fazit

Mit Century – Neue Welten wäre ich eigentlich recht schnell fertig: umständlicher Spielaufbau, kleines, fummeliges Material. Spielgefühl: umständlich, unausgegoren, belanglos. Oder, wie meine Frau es formuliert: Ich glaube, das muss ich nicht unbedingt noch mal spielen.

Aber wie bei einer Krimiserie, kann man sich den Abschluss der Trilogie natürlich nicht entgehen lassen und bleibt dann doch bis zum Schluss drann, auch wenn es einem weniger gefällt. Vielleicht kommt das große Finale ja doch noch. Was Century betrifft: Vor allem die möglichen Kombinationen mit Teil 1 und 2 oder auch mit allen dreien zusammen haben mich interessiert. Doch dazu später mehr. Erstmal zum „Grundspiel“:

Wie schon in der Spielbeschreibung erwähnt, liegt der Clou der Neuen Welten in den Siegpunktkarten, die einen vor das Dilemma stellen: Was will ich jetzt, was brauch ich am Ende und was kann ich überhaupt zahlen? Hört sich spannend an, fand ich, leidet aber stark unter Punkt 3: Wozu habe ich überhaupt die passenden Waren?

Dazu muss man wissen: Der Warenhandel ist im Spiel - besonders am Anfang - stark eingeschränkt. Von gerade mal 13 Ressourcenfeldern sind zu Beginn 6 Stück „unentdeckt“, heißt gesperrt. Im Spiel zu zweit sogar 8. Erst durch bestimmte Siegpunktkarten wird ein Teil dieser Felder im Verlauf des Spiels (irgendwann) zugänglich. Es wird eben neues Land entdeckt mit neuen Handelsmöglichkeiten. Thematisch ist das sicher unheimlich stimmig, allerdings auch das einzige, was irgendwie mit dem Thema zu tun hat. Weswegen man sich dann doch nicht wie ein großer Entdecker fühlt, eher wie ein großer Idiot, der den Mitspielern interessante Spieloptionen auftut. Denn neue Felder können immer zuerst von den Mitspielern genutzt und blockiert werden. Zwar lohnt sich die Entdeckung vielleicht trotzdem, aber gut anfühlen tut es sich nicht.

Und dies trifft auch auf den ganzen Handel zu. Denn eigentlich ist das Hin- und Hertauschen der Waren in mehr oder bessere Waren der eigentliche Kern des Spiels. Der ist in dieser Form aber dermaßen eingeschränkt, dass davon nicht viel übrig bleibt. Zwar kann man theoretisch alles in alles tauschen, aber einiges nur über Umwege. Gelb in Grün, Grün in Braun, Braun wieder in Gelb. Gelb in Rot? Geht nicht. Aber Rot in Grün und Grün in Rot. Erschwerend kommt hinzu: Man möchte meist eine bestimmte der ausliegenden Siegpunktkarten, nicht irgendeine. Also braucht man eine bestimmte Kombination aus Klötzchen. Und genau diese auch noch rechtzeitig zu ertauschen ist schwieriger als das kleine 1x1 (sagt mein Sohn – und der muss es wissen). Oft ist es einfacher, in mehreren Zügen direkt die richtigen Waren zu sammeln, die man braucht, als diese umständlich zu ertauschen. Damit verliert das schöne Handelssystem aber leider gänzlich seine Varianz und damit auch den größten Teil seines Reizes. Übrig bleibt ein ziemlich durchschnittliches worker-placement ohne Raffinessen (sage ich, und meine es auch zu wissen).

Auch beim Material kann Neue Welten keinen Jubel auslösen. Die Spielpläne sind aus dünner Pappe, die sich leicht wellt, die Worker sind winzig klein. Niedlich zwar, aber im Spiel eher unpraktisch, vor allem auf einem gewellten Spielplan. Einzig die Spielkarten und Ressourcenwürfel sind auf dem gewohnten Niveau, alles in allem wirkt es aber eher billig (und mir ist es völlig egal, ob es das real auch ist oder nicht, es wirkt einfach so).

Die Spielerzahl 2 - 4 ist Standard. Zu zweit passiert trotz 8 gesperrter Felder auf dem Spielplan relativ wenig, man kommt zu leicht aneinander vorbei. Drei oder vier Spieler sind besser, wobei vier sich gerade am Anfang (mit noch wenig Arbeitern) fast schon wieder eng anfühlt, aber OK ist.
Die Spieldauer beträgt rund 30 bis 45 Minuten, was für das gebotene OK ist, wenn man davon absieht, dass es kaum einen Spannungsbogen gibt.

Für sich gesehen können die Neuen Welten mich absolut nicht überzeugen, worker-placement gibt es weit bessere. Und auch im Vergleich mit den zwei Vorgängern sind die Neuen Welten mit Abstand der schwächste Teil. Die Eleganz und Einfachheit des ersten Teils ist für mich unerreicht, und auch der zweite Teil mit mehr Interaktion und Übersicht war für mich stimmiger.

Aber wie sieht es jetzt mit den Kombinationen aus?

Reisen die Karawanen der Gewürzstrasse bis in Neue Welten, so kommen die die Handelskarten aus dem ersten Teil mit ins Spiel und erlauben es den Spielern, vielfältige Tauschaktionen auszuführen und eigene Karawanen zu bilden. Hier kommt also die von mir vermisste Tauschvarianz wieder zurück. Und tatsächlich spielt sich diese Kombination sehr harmonisch und stimmig. Für mich klar besser als das Grundspiel alleine. Nur wenn ich die Wahl hätte, würde ich einfach nur die Gewürzstraße spielen. Die ist einfacher aufgebaut, gespielt und ohne Schnickschnack. - Einwurf: Meine Frau ruft gerade aus dem Hintergrund, ich hätte die Wahl! Also dann: ohne Neue Welten.

Fernöstliche Wunder in Neuen Welten? Da ahnt man schon beim Titel, dass das irgendwie klemmt. In dieser Kombination ergänzt eine (reduzierte) Inselwelt das Spiel und bringt auch wieder die Tauschoption verstärkt rein. Immerhin ist es optisch die schönste Variante, denn hier passen die kleinen Männchen maßstäblich hervorragend zu den deutlich größeren Schiffen. Spielen tut es sich wie … Fernöstliche Wunder mit Handbremse. Denn das in dieser Kombination völlig überflüssige worker-placement verlangsamt das Spiel, ohne dass ich dadurch einen zusätzlichen Spielreiz erkennen konnte. Wenn ich die Wahl hätte … ich glaub ich höre gerade meine Frau rufen. Also auch: lieber ohne Neue Welt.

Bleibt die Gewürzstrasse entlang der Fernöstlichen Wunder bis in Neue Welten. Mit dieser Kombination aus Insel und Handelskarten erreicht das Spiel die Ausmaße eines großen Brettspiels und auch die Spieldauer verlängert sich auf rund eine Stunde (zumindest wenn man nett spielt). Und tatsächlich erscheint mir diese Kombination als die beste von allen drei Varianten. Warum? Weil es damit tatsächlich so viele Handel- und Tauschmöglichkeiten gibt, dass man ständig abwägen muss, was jetzt gerade die attraktivste Option ist. Da es noch Punkte für genutzte Handelskarten und besuchte Tauschinseln gibt, gibt es noch zusätzliche Anreize, das eine oder das andere tun zu wollen, selbst wenn der Tausch allein an einer anderen Position wohlmöglich günstiger wäre. In diesem Meer aus Möglichkeiten fühlt sich mein Händlerherz endlich wieder wohl. Abwägen, Entscheidungen treffen und eine Vielzahl von Optionen, so macht mir Spielen Spaß!

Leider war es mir auf Grund der aktuellen Corona-Situation noch nicht möglich, diese Variante in größerer Runde zu spielen, aber zu zweit macht es schon mal Spaß, und ich könnte mir vorstellen, dass es zu dritt oder viert noch etwas besser, weil interaktiver wird.

Insgesamt hat mich Neue Welten damit vom Clifhanger zum Finale gebracht und dabei mit dem Ende doch wieder versöhnt. Herausragend wird das Spiel zwar in keiner Weise, aber es funktioniert gut und hat Spaß gemacht. Zumindest die ganz große Variante hab ich auch fest vor, noch zwei-, dreimal zu spielen. Mal sehen, wir oft das Spiel danach noch gewünscht wird, aber erst mal darf es bleiben.

Rezension Michael Timpe

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Century: Eine neue Welt / A New World: 3,5 3,5, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.06.20 von Michael Timpe - Das Spiel selber ist nicht der Hit, die Kombinationen mit den zwei Vorläufern machen es aber interessant. Nachtrag: Inzwischen konnte ich das Spiel in der "grossen" Variante mit allen drei Teilen schon zwei mal zu viert spielen und muss sagen, das macht wirklich Spass. Daher ein Bonuspunkt für die grosse Variante zu viert: 4 Punkte
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 30.04.20 von Sandra Lemberger

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