Rezension/Kritik - Online seit 27.05.2013. Dieser Artikel wurde 5974 mal aufgerufen.

Spellbound

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Autor: Fraser Lamont
Gordon Lamont
Verlag: Fragor Games
Rezension: André Beautemps
Spieler: 1 - 4
Dauer: 60 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Jahr: 2012
Bewertung: 5,0 5,0 H@LL9000
4,5 4,5 Leser
Ranking: Platz 1328
Spellbound

Spielziel

Diese verfluchte Hexe hat doch tatsächlich meine Mitzauberlehrlinge und mich in ein paar unansehnliche kleine Gnome verwandelt. Das werden wir ihr heimzahlen, wir brauchen nur ein paar wichtige Zauberbücher zu ergattern und dann den alten Hexenturm finden, damit wir die Hexe im Zauberduell besiegen und unsere alte, wohlgeformte Gestalt wiedererlangen. Auf in den Kampf!

Ablauf

Ein großflächiger Spielplan zeigt uns die Welt, in der wir uns aufhalten werden. Vier Flächen darauf stellen jeweils eine Stadt dar, in der sich ein farblich passendes Buch und ein Hexenhut auf einem gemeinsamen Punktepfad befinden. Für uns besteht in diesem Teil die Aufgabe, möglichst viele der Bücher mittels passender Karten auf das Zielfeld zu ziehen, dann haben wir das Buch vor der Hexe gerettet. Ein fünftes Buch befindet sich auf einem Pfad in der sogenannten Wildnis, dem größten Teil des Spielplans und wird dort ausnahmsweise nicht von einem Hexenhut, sondern von einem Troll verfolgt. Hier gilt es genauso, das Buch zum Zielfeld am Ende des Pfades zu bewegen, bevor der Troll dies eingeholt hat.

Ein letzter Abschnitt auf dem Spielplan widmet sich dem aktuellen Zustand der Hexe bzw. derer und auch unserer eigenen Kampfstärke. Am Ende einer jeden Runde müssen wir nämlich schon Zwischenkämpfe gegen die Hexe ausfechten, und je nach Verlauf holt sich die Hexe für das nächste Mal Verstärkung (wenn wir gewinnen) oder wird selbst stärker und kann uns mehr Hindernisse in den Weg werfen.

An den schmalen Rändern des Spielplans werden verdeckt Karten ausgelegt, von denen zu Beginn nur wenige umgedreht werden. Diese zeigen entweder potenzielle Verbündete für uns oder einen von drei Orten. Einer dieser Orte wiederum ist der Hexenturm. Ohne diesen ausfindig zu machen, kann das Spiel nicht gewonnen werden. Haben wir von den insgesamt fünf Büchern vier gerettet, können wir uns für den Endkampf rüsten und müssen, um diesen zu bestreiten, mit unseren Figuren zum Hexenturm ziehen.

Die Spielrunden selbst werden reihum abgehandelt, wobei aus einem gemischten Deck an Schicksalskarten mindestens fünf für den Zug des aktiven Spielers aufgedeckt werden. Diese Karten können für Bewegungen unserer Figuren oder der Bücher genutzt werden, oder um unsere eigenen Zauberstäbe aufzuladen oder ein Volk vom Spielfeldrand auf unsere Seite zu ziehen. Gelingt uns Letzteres, werden die entsprechenden Karten des Volkes dem Schicksalsstapel beigefügt.

Leider befinden sich in diesem Kartenset auch für uns negative Karten, welche dafür sorgen, dass Hexenhüte in den Städten oder der Troll in der Wildnis sich ebenfalls fortbewegen. Wird eine solche Karte aufgedeckt, wird sie sofort ausgeführt und es werden weitere Karten vom Schicksalsstapel gezogen, bis wir fünf positive Karten ausliegen haben. Zunächst muss eine von allen offen ausliegenden Karten zur Hexe auf dem Spielplan gelegt werden. Die schlechten Karten kommen hierbei auf die Mondseite (die Seite der Hexe), die guten auf die Sonnenseite (das sind wir strahlenden Helden). Danach können mit den restlichen Karten eigene Aktionen durchgeführt werden.

Kann die Auslage für den nächsten Spieler nicht mehr auf besagte fünf Karten ergänzt werden, endet eine Runde und es kommt zu einem Zwischenkampf mit der Hexe. Dabei werden die Mond- mit den Sonnensymbolen der ausgelegten Karten verglichen und auch noch aus einem Stoffbeutel ein hinzuzuzählender Mond- oder eben Sonnenstein gezogen. Ist das Gesamtergebnis der Sonnen höher, haben wir gewonnen und die Hexe holt sich Verstärkung in Form von Karten, die sofort zur Hexe gelegt werden und bereits mehrere Mondsymbole zeigen. Ab der nächsten Runde braucht man also deutlich mehr Karten mit Sonnensymbolen, um erneut zu gewinnen.

Verliert man einen solchen Kampf, wird die Hexe selbst stärker (erhält mehr Mondsymbole) und es kommen zusätzlich negative Schicksalskarten ins Spiel, d. h. Hüte und Troll bewegen sich je Runde schneller bzw. weiter. Sind zwei Bücher auf ihrem Weg zum Ziel von einem Hexenhut oder dem Troll eingeholt worden, verlieren die Spieler die Partie (sie können nun nicht mehr vier Bücher retten). Erreichen zwei Hexenhüte oder der Troll und ein Hut das letzte Feld ihres Pfades, ist das Spiel ebenso verloren. Zum guten Schluss gibt es noch eine nicht geringe Chance, das bisherige Bemühen durch eine Niederlage im Endkampf zu vergeigen.

Fazit

Schachtelgröße? Wow! Gestaltung? Yeah! Spielmaterial? ...

Es fehlen einem schlicht die Worte, wenn man den Deckel zum ersten Mal lüftet und zunächst feststellt, dass hier keineswegs eine Überdimensionierung der äußeren Verpackung vorliegt, sondern vielmehr, wie von diesem Verlag bereits aus den Vorgängern bekannt, handgearbeitete Figuren, diverse Karten, Stoffbeutel, Glassteine, eine Spielregel und den wirklich großen Spielplan enthält. Bevor man überhaupt dazu kommt, sich mit der Spielregel auseinander zu setzen, werden erst einmal die versammelten Handwerksleistungen gewürdigt.

Hexe, Troll und die verwunschenen Zauberlehrlinge sind im wahrsten Sinne des Wortes riesige Hingucker, die schnuckeligen Bücher und eine gemütlich wirkende Stadtwache (ein potenzieller Verbündeter) schlichtweg zum Verlieben. Bei der Größe verwundern einen dann weder die Kartonmaße noch die benötigte Fläche für den Spielplan. Womit man eine wunderbare Überleitung zur Spielregel hat.

Bei dieser sieht man regelrecht die feixenden Autoren vor sich, wie sie sich Gesichter vorstellen von Personen, die zum ersten Mal die Anleitung zum Spielaufbau durchlesen und bei Punkt 15(!) erfahren, dass man einen größeren Tisch benötigt. Denn der Spielplan allein reicht nicht als Spielfläche, es wird noch einiges an Platz drumherum benötigt, um hauptsächlich Karten auslegen zu können.

Hat man dieses Problem gelöst, muss man sich als Neuling etwas zusammenreißen und die einzelnen Abschnitte konzentriert und genau lesen. Nach der bereits fünfseitigen Aufbauanleitung folgen zwölf weitere, auf denen die Abläufe des Spiels erläutert werden. Allerdings sind alle Seiten reich bebildert und in gut lesbarer Großschrift bedruckt. Abschließend sind noch zwei Anhänge zum genaueren Verständnis der Kartensymbolik und spezieller Individualfähigkeiten einzelner Karten beigefügt.

Alles in allem aufgrund der Fülle der zu verarbeitenden Informationen also keine leichte Kost. Intuitiv bedienbar ist dieses Machwerk in der Tat nicht zu nennen, jedoch muss man nach hinreichendem Studium konstatieren, dass die Regel inklusive der deutschen Übersetzung eigentlich alles klärt. Warum eigentlich? Hier sei noch einmal auf die Passage "konzentriert und genau" des vorigen Abschnitts verwiesen. Wir hatten in der Erstlingsrunde gleich einen Erfolg und das Spiel knapp, aber doch ohne größere Anstrengung gewonnen. War auch nicht so schwer, wie sich hinterher herausstellte. Wir haben nämlich die Verbündetenkarten, die wir im Laufe des Spiels dem Schicksalsstapel hinzufügen konnten, nicht in das Kartenlimit von fünf positiven Karten eingerechnet und diese zusätzlich ausliegen gehabt. Das allerdings ist so eindeutig nicht vorgesehen, wurde aber im Erststudium schlichtweg überlesen.

Ist man erst einmal ein paar Spielzüge durch, erschließt sich jedem Mitkämpfenden das Geschehen und die Einflussmöglichkeiten hierauf rasch. Dennoch gibt es vor jedem Spielzug viele Abwägungen zu machen, welche der Nutzungsmöglichkeiten für die eigene Aktion am sinnvollsten erscheint. Schon die Entscheidung über die Ablage einer Schicksalskarte bei der Hexe verlangt unter Umständen einiges an Vorkalkulationen. Gedächtnisleistungen, welche Schicksalskarten in der laufenden Runde schon gespielt wurden und welche noch kommen werden, sind überlebensnotwendig.

Da es sich um ein streng kooperatives Spiel handelt, benötigt man die diversen Rechen- und Archivierungskünste nicht in einer Person vereinigt, sondern kann diese Aufgaben an den dafür am besten geeignet erscheinenden Mitstreiter delegieren. Gegebenenfalls - insbesondere bei Runden mit einem erfahrenen und ansonsten Einstiegsspielern - winkt auch hier das Schicksal des Ungleichgewichts von Persönlichkeitsstrukturen und führt zu einer Führung durch das Spiel von einem für alle seine Mitspieler. Gespielt zu werden fühlt sich auch dann nicht gut an, wenn es nicht Käpt'n Zufall oder Lady Luck sind, die die Fäden ziehen, sondern ein "Ich-zeig-euch-jetzt-mal-wie-das-hier-geht"-Nachbar. Von daher sollten sich erfahrene Spellbounder gegenüber Novizen nicht allzusehr in den Vordergrund drängen, sondern eher auf Bitten und Nachfragen mit wertvollem Rat dienen.

In Schottland scheint die Zeit übrigens langsamer zu verrinnen: Wer es schafft, die angegebene Spielzeit von einer Stunde am besten noch inklusive Aufbau hinzubekommen, dem sei hiermit unterstellt, das Spiel unzählige Male gespielt und den Rekordversuch auf jeden Fall in der Solovariante unternommen zu haben. Wenn die maximale Teilnehmerzahl zusammenkommt, kann die Spieldauer nur in den Fällen, in denen das Spiel vorzeitig verloren geht, eingehalten werden. Das Spiel ist so gut austariert, dass es oft scheinbar ausweglose Situationen herschenkt, die mit einem Quäntchen Glück und vor allem viel akribischer Optimierungsarbeit doch noch zum Guten gewendet werden können. Um in einer Vierpersonenrunde auf die entsprechende situative Lösung zu kommen, bedarf es in der Regel einiges an Diskussionen und Argumentenaustausch, da selten Konformität in Bezug auf den optimalen Zug des aktiven Spielers herrscht.

Zumindest mit der Altersangabe stimmt man überein. Grundschulkinder sind von den Figuren mindestens genauso begeistert, jedoch keineswegs von den vielen zu beachtenden Dingen, Regeln und Vorschriften. Und das ausgerechnet die Jüngsten bei Diskussionen als Meinungsmacher hervortreten, dürfte auch nur in Ausnahmefällen zu beobachten sein. Kurzum, mindestens Teeniereife sollte für eine sinnvolle Teilnahme schon erreicht sein.

Fantasythema, längere Spieldauer als angekündigt, hohe Einstiegsvoraussetzungen und recht komplexe Mechanismen: Sorgen diese Einzelkomponenten bei mir nicht gerade für wohlige Schauer der Vorfreude, sollte mir dieses Spiel bei entsprechender Kumulation keine Freude bereiten. Tut es aber trotzdem. Sicherlich ist diese bombastische optische Wirkung der Figuren ein länger anhaltener Auslösereiz. Doch darüber hinaus habe ich festgestellt, dass das gemeinsame Lösen eines Problems viel spaßiger sein kann als dieses alleine bewerkstelligen zu müssen. Keine ausgesprochen weise Erkenntnis, aber wer wie ich um raumgreifendere Werke einen größeren Bogen macht, wird sich vielleicht doch bemüßigt sehen, Spellbound mal einen Ausnahmeplatz in der karg bemessenen eigenen Spielezeit einzuräumen. Eine Chance bei jedem haben sich die Gebrüder Lamont mit Spellbound allemal verdient.

Rezension André Beautemps

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Spellbound: 5,0 5,0, 3 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 02.04.13 von André Beautemps - Die beste 6, die ich bisher in der Kategorie Aufmachung vergeben habe! Eigentlich eine 7!
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 18.03.13 von Rainer Harke - Nicht nur optisch eine Augenweise, auch spielerisch eine runde Sache.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 03.06.13 von Stephan Rothschuh

Leserbewertungen

Leserwertung Spellbound: 4,5 4.5, 4 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.03.13 von Ralf Rechmann - Ein Spiel, das erst durch seine besondere Aufmachung auflebt und dadurch die nötige Atmosphäre aufbaut. Im Kern ein relativ geradliniges Deckbauspiel, bei dem man kooperativ an einem Deck bastelt und das Optimum an koordinierten Aktionsmöglichkeiten versucht herauszuholen. Spannungsbogen ist gegeben, wenn man das Kartenaufdecken als solches zelebriert. Vom Ablauf muss man sich allerdings anfangs an einem eher abstrakten Ablaufplan entlanghangeln, bis verinnerlicht ist, was wann welche Auswirkungen hat. Da muss man aufpassen, nichts zu übersehen, weil man ansonsten schnell das Spiel aus den Angeln heben kann. Klar ein Spiel, auf das man sich einlassen muss, das dann aber glänzen kann. Verständnislos und passiv heruntergespielt ist es allerdings langweilig, wenn ein Meinungsführer alleinig bestimmt, wo es langgeht und man selbst nur folgt.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.03.13 von Michael Behr - Optisch wunderbar, vom Spiel her nur "so la la".
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.03.13 von Guido Kurth - Das Spiel macht großen Spaß allein schon wegen der Aufmachung. Für mich ein Top Koop Spiel. Der Meinung von Ralf Rechmann kann ich mich nur bedingt anschließen. Natürlich ist es bei jedem Koop Spiel so, daß wenn ein Spieler alle Aktionen bestimmt man nur noch Statist ist. Aber wenn man Koop Spiele spielt lebt man davon zusammen zu agieren, sonst braucht man kein Koop Spiel zu spielen.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.03.13 von Moni Azzolini - Die wunder vollen Figuren machen einen großen Teil des Spielspaßes aus. Aber auch die Mechanik gemeinsam an einem Deck zu bauen und daraus das Beste zu machen ist super. Auch wenn es in der Runde einen gibt, der sagen will wo´s lang geht, hat das letzte Wort doch der aktive Spieler. Was er dann mit seinen 5 Karten anstellt kann er selbst bestimmen. Nach etlichen Spielen haben wir immer noch keine sichere Gewinnstrategie gefunden. Und manchmal gewinnt die Hexe so schnell, dass man einfach nocht eine Runde spielen muss. Und noch eine. Und noch eine...

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