Spielziel
Schon öfter wurde die Osterinsel zum Thema eines Brettspiels gemacht, bieten sich die kolossalen Steinskulpturen (Moais) doch wahrhaftig an, mit optisch faszinierendem Spielmaterial zu beeindrucken. Die Osterinsel ist unter dem Namen "Nationalpark Rapa Nui" Teil des UNESCO-Welterbes. Und eben diesen Titel gab Klaus-Jürgen Wrede seinem neuesten Kartenspiel, bei dem die Spieler in die Rollen mächtiger Stammeshäuptlinge schlüpfen und in dieser Funktion immer wieder vor der Entscheidung stehen, welche wichtige Person das eigene Dorf als Nächstes verstärken soll oder ob sie gar für teures Baumaterial eine imposante Steinstatue errichten sollen, um bei der Zug um Zug stattfindenden Wertung besser abzuschneiden als die Kontrahenten.
Ablauf
Lediglich vier verschiedene Kartenarten gibt es in dem Spiel: Holzfäller, Priester, Jäger und Sammler sowie Moai-Statuen. Zu Beginn besitzt jeder Spieler einen Holzfäller, den er gleich vor sich auslegt, sowie drei unterschiedliche Jäger und Sammler, die er auf die Hand nimmt. Außerdem erhält er noch je eine der vier verschiedenen Opferkarten und eine bestimmte Menge Holz, die von der Startposition abhängig ist.
Wer an der Reihe ist, spielt grundsätzlich eine Karte aus und zieht eine nach. Das Ausspielen von Karten kostet üblicherweise nichts, es sei denn, man möchte eine Statue bauen, was mit 7 Holz zu bezahlen ist, oder man möchte zwei oder drei Jäger-und-Sammler-Karten gleichzeitig ausspielen. Dies darf man aber nur, wenn es sich um gleiche Karten handelt – jede zusätzliche Karte kostet dann 1 Holz.
Von vier breit gefächert ausliegenden Kartenreihen mit maximal vier Karten darf man anschließend eine nachziehen. Die Karte, welche unter der weggenommenen liegt, wird danach gewertet. Falls die letzte Karte einer Reihe genommen wurde, werden vier neue aufgedeckt. In diesem Fall ist die letzte Karte die Wertungskarte. Jeder, der eine der Wertungskarte entsprechende Karte vor sich ausliegen hat, erhält dafür eine Belohnung. Bei Priestern erhält man Siegpunkte, bei Holzfällern Holz, und zwar so viel, wie man davon in seiner Auslage hat. Der Spieler mit der alleinigen Mehrheit bekommt dabei zusätzlich einen Siegpunkt bzw. ein Holz. Auch für Moai-Statuen gibt es in derselben Form eine Belohnung, nur darf man sich hier aussuchen, ob man entsprechend Siegpunkte oder Holz nimmt.
Etwas anders verläuft die Wertung bei den Jäger-und-Sammler-Karten. Hier bekommt man grundsätzlich nur eine entsprechende Opferkarte als Belohnung, es sei denn, man hat die alleinige Mehrheit, dann bekommt man eine zweite Karte dazu.
Das Ausspielen von Moai-Karten hat noch einen zusätzlichen Effekt: Es wird nämlich geopfert. Der dem Spieler am Zug folgende Spieler muss eine seiner Opferkarten offen auf den Opferplatz legen, alle anderen Spieler folgen im Uhrzeigersinn und machen dasselbe. Der letzte Spieler jedoch (also der, der die Moai-Karte gespielt hatte) darf seine Opferkarte verdeckt auf den Stapel legen und außerdem noch um eine zusätzliche Karte von einem beliebigen Opferkarten-Nachziehstapel ergänzen.
Das Spiel endet sofort, wenn eine leergeräumte Reihe nicht mehr mit vier neuen Karten bestückt werden kann. Zum Schluss werden die durch Moai-Statuen und Priester erworbenen Siegpunkte gezählt. Weiters ergeben fünf Holz noch einen und jede Moai-Statue vier Siegpunkte. Außerdem muss der Opferplatz ausgewertet werden, um den Wert der noch nicht geopferten Karten zu bestimmen. Jene Opferkarten, von denen am meisten geopfert wurden, sind am Ende 3 Siegpunkte wert, die zweitmeisten 2 und die drittmeisten 3 Punkte. Wer die meisten Siegpunkte hat, gewinnt.
Fazit
Obwohl man während der Spielerklärung wegen der unterschiedlichen Karten meistens noch ein wenig planlos ist, merkt man recht schnell, dass der Spielablauf eigentlich ziemlich einfach und eingängig ist. Im Grunde besteht er ja nur darin, dass man eine Karte ausspielt, eine nachzieht und damit eine Wertung auslöst. Dass jeder Kartentyp eine Besonderheit hat, begreift man am besten während einer Probepartie. Und weil eine solche nach etwa 30 Minuten recht schnell beendet ist, wird meistens sofort eine neue Runde angehängt, in der dann alle Spieler gleichberechtigt agieren können.
Rapa Nui ist zwar ein recht einfaches Spiel, trotzdem verläuft es immer wieder anders, so dass man mit ein und derselben Taktik nicht immer gewinnen kann. Man muss einfach flexibel bleiben und sich den Gegebenheiten anpassen. Das ist auch der Grund, warum mir dieses Spiel nach unzähligen Partien immer noch Spaß macht. Mal hat man Holzmangel, weil die Karten erst sehr spät ins Spiel kommen, dann wieder lassen die Jäger und Sammler auf sich warten, so dass man kaum Opferkarten hat und jedes Mal gestöhnt wird, wenn wieder eine Statue errichtet wird und man sich von einer seiner wenigen Opferkarten trennen muss. Ein anderes Mal liegen schon zu Beginn sehr viele Holzfäller aus und alle Spieler schwimmen in Holz. Wenn dann allerdings die Moai-Karten ausbleiben, kann man sein Holz erst einmal nicht investieren.
Es sei denn, man kauft damit Opferkarten. Zu Beginn seines Zuges darf ein Spieler nämlich immer genau eine davon kaufen. Diese Karte kostet 5 Holz. Davon darf aber so viel Holz abgezogen werden, wie ein Spieler zur Opferkarte gehörige Jäger-und-Sammler-Karten vor sich liegen hat. Dies ist auch der Grund, warum es durchaus Sinn macht, viele Jäger-und-Sammler-Karten einer Sorte auszulegen, denn der Ertrag bei der Wertung einer solchen ist ja maximal 2, falls man in dieser Kartensorte die meisten ausliegen hat.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass es keine klare Siegstrategie gibt, weil die Kartenkonstellationen immer wieder anders sind. Man muss einfach ständig aufs Neue flexibel bleiben mit seinen Planungen.
Spielregel und Grafik sind gut gelungen und positiv ist außerdem zu erwähnen, dass das Spiel in jeder Besetzung Spaß macht. Zu zweit hat man jedoch einen besseren Überblick über die Karten des Gegners, während man im Spiel zu viert schon etwas genauer schauen muss, um den Überblick zu behalten, mit welchen Wertungen man den lieben Mitspielern einen allzu großen Gefallen tun würde.
Die Altersangabe ab 10 Jahren wurde vielleicht ein bisschen vorsichtig gewählt, ich hab's auch schon mit 9-Jährigen gespielt.
Rapa Nui ist ein gelungenes Kartenspiel, das sowohl bei Viel- als auch Gelegenheitsspielern gleichermaßen gut ankommt, so dass häufig noch weitere Partien angehängt werden. Auch das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt – Spielerherz, was willst du mehr?
Rezension Sandra Lemberger
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.