Spielziel
"Einszweidrei im Sauseschritt, läuft die Zeit, wir laufen mit." Matt Leacock wird wohl ein wenig an Wilhelm Busch gedacht haben, als er Roll Through the Ages erdachte. In ca. 20 Minuten würfeln sich ein bis vier Spieler durch den Aufbau ihrer Zivilisation - geht dies?
Ablauf
Im ersten Moment denkt man bei diesem Spiel unweigerlich an Kniffel: Jeder Spieler erhält einen Wertungszettel, der die eigene Zivilisation mit ihren Städten, Fortschritten, Weltwundern und Katastrophen darstellt. Dann würfelt man in seinem Spielzug und legt gewünschte Würfel heraus, wirft ungewünschte bis zu zweimal erneut ... hier hören die Gemeinsamkeiten dann aber auf.
Wir starten unsere Zivilisation mit 3 Städten = 3 Würfeln. Mehr Würfel erhält man durch weitere Städte - maximal 7 sind möglich. Diese baut man mit den Arbeitern, die sich auf zwei Seiten eines jeden Würfels finden. Neben Städten können wir die erwürfelten Arbeiter aber auch an Weltwundern arbeiten lassen. Weltwunder bringen im Allgemeinen keinen unmittelbaren Vorteil im Spiel, aber am Spielende - im Gegenteil zu den Städten - Siegpunkte. Der Ausbau wird mit dem Abstreichen einer Box pro gewürfeltem Arbeiter gekennzeichnet.
Auf weiteren zwei Würfelseiten finden sich Weizenähren, welche die benötigte Nahrung darstellen. Nach dem Würfeln müssen alle eigenen Städte versorgt werden. Überzählige Nahrung kann für Folgerunden gelagert werden, dargestellt über einen Stift in einer Holztafel - unserem Warenlager. Jede unversorgte Stadt bringt eine Katastrophe, heißt einen Totenkopf und damit einen Minuspunkt am Spielende. Totenköpfe können aber auch erwürfelt werden. Dabei sind sie noch verflucht resistent, da ein Würfel mit einem Totenkopfsymbol nicht erneut gewürfelt werden darf. Je nach Anzahl der erwürfelten Totenköpfe kassiert man zwei oder mehr Minuspunkte. Jedoch können diese auch die Mitspieler treffen: Genau drei gewürfelte Totenköpfe bringen z. B. jedem Mitspieler drei Minuspunkte.
"Versüßt" werden die Totenköpfe durch zwei Amphoren, die je eine Ware darstellen. Zusätzlich zeigt eine weitere Würfelseite eine einzelne Amphore. Pro Amphore erhält man eine Ware in sein Warenlager, aufsteigend je eine, beginnend mit der günstigsten. Ein Exemplar der wertvollsten Ware erhält somit nur, wer mindestens fünf Amphoren in seinem Zug erwürfelt. Mit den Waren können Fortschritte für die eigenen Zivilisation erworben werden - beginnend mit Führung, welche einem das vierte Würfeln eines Würfels ermöglicht, bis hin zu der sechsmal teureren Großmacht, die zum Spielende einen Bonuspunkte pro errichteter Stadt bringt. Die Einkäufe können darüber hinaus durch erwürfelte Münzen unterstützt werden, die jedoch in derselben Runde verwendet werden müssen und nicht aufgespart werden können.
Wer genau mitgezählt hat, vermutet jetzt siebenseitige Würfel in dem Spiel: 2*Arbeiter, 2*Ähren, 1*Totenkopf, 1*Amphore, 1*Münze. Nicht ganz: eine Seite des Würfels zeigt Weizenähren und Arbeiter und gibt dem Spieler die Wahl einer der beiden Optionen.
Spielt man Roll through the Ages solitair, läuft das Spiel über genau 10 Runden. Bei mehr Spielern wird die Partie nach jener Runde beendet, in der ein Spieler seinen fünften Fortschritt erwirbt oder in der alle Weltwunder vollendet wurden. Jeder Spieler erhält Siegpunkte für die Fortschritte und Weltwunder - ggf. noch Bonuspunkte. Davon werden die durch Unterernährung oder Totenköpfe erwürfelten Minuspunkte subtrahiert und der Spieler mit der höchsten Gesamtsumme gewinnt. In einer Solitairpartie wird eine möglichst hohe Punktzahl angestrebt.
Fazit
"Einszweidrei im Sauseschritt, spielt sich Roll Through the Ages, komm spiel mit!" Eine Partie Roll Through the Ages geht schnell über die Bühne - vielen sogar zu schnell. Aufgrund der Spielendebedingung von fünf erworbenen Fortschritten kann eine Partie schon nach 5 Runden beendet sein. Meist dauert sie jedoch 3 bis 4 Runden länger, da man es selten schafft, pro Runde einen Fortschritt zu erwerben, die Regel aber einen Mehrfachkauf in einer Runde verbietet. Um hier den Spielsieg davontragen zu können, muss man zwingend die Aktivitäten der Mitspieler und deren Möglichkeiten, das Spielende herbeizuführen, im Auge behalten.
Einer über günstige Fortschritte schnell zu beendenden Partie kann z. B. durch den Bau lukrativer Weltwunder Einhalt geboten werden. So bringt die große Pyramide mit 12 Siegpunkten nur einen Punkt weniger als die 5 günstigsten Fortschritte zusammen. Allerdings benötigt die Pyramide 15 Arbeiter zur Fertigstellung, die auch gut für den Städtebau verwendet werden könnten und dann mehr Würfel brächten. Mehr Städte müssen aber auch mit mehr Nahrung versorgt werden und ein zusätzlicher Würfel bringt nicht viel, wenn er für eine weitere Weizenähre herhalten muss. Die Spielweise sollte also schon einer grundlegenden Taktik folgen.
Die 13 zur Verfügung stehenden Fortschritte wirken sich alle unterschiedlich auf das Spiel aus. Hier gab es in unseren Runden anfangs klare Favoriten (z. B. Bewässerung, die zwei gewürfelte Totenköpfe negiert oder Ackerbau, der den Ertrag gewürfelter Weizenähren erhöht). Mit zunehmender Spielerfahrung wurden die Taktiken vielfältiger und es kamen letztlich alle Fortschritte zum Zuge, je nach gewählter Taktik.
Eine gewählte Taktik ist jedoch nur so gut, wie die Würfel es zulassen. Der Plan, viele Weltwunder zu bauen, bringt rein gar nichts, wenn man immerzu Weizenähren würfelt oder gar nur Totenköpfe. Letztere bringen immerhin noch Waren mit sich, mit denen man Fortschritte erwerben kann, aber auch Minuspunkte. Den einen oder anderen Minuspunkt kann man gut in Kauf nehmen, nur zu viele sollten es nicht werden.
Zum Zeitpunkt dieser Rezension gibt es Roll Through the Ages lediglich in englischer Sprache von FRED Distribution - eine deutsche Version ist jedoch bei Pegasus im Gespräch. Die englischen Regeln erschließen sich aber recht schnell. Alle wichtigen Informationen sind auch auf den Zivilisationsblättern vorhanden und haben sich auch Ungeübten schnell und intuitiv erschlossen. Dem Spiel liegen ca. 150 doppelseitig bedruckte Zivilisationsblätter bei. Die Würfel und die Warenanzeiger sind aus Holz - für mich sehr funktional und passend zum Spielthema, in meinen Runden kam aber auch Kritik an den doch recht großen Würfeln auf.
Die größte Kritik ist jedoch zugleich die größte Stärke des Spiels: die kurze Spieldauer. Mit im Schnitt 20 Minuten pro Partie kann Roll Through the Ages immer schnell auf den Tisch gebracht werden. Allerdings kommt in so kurzer Zeit bei mir nicht das Gefühl auf, eine Zivilisation zu entwickeln. Eher streiche ich hier Kästchen durch, stecke meine Warenpöppel weiter, kassiere Minuspunkte und versuche, mehr Würfel zu erlangen. Eine pompöse Zivilisation mit 6 Städten, einer großen Pyramide und der chinesischen Mauer, mit Ackerbau, Medizin, Architektur und Münzwesen habe ich noch bei keiner Partie vor meinem geistigen Auge gesehen. Das ist aber auch gar nicht nötig und tut dem Spielspaß keinen Abbruch - egal ob solitair oder mit bis zu drei Mitstreitern. Die Interaktion beschränkt sich hierbei auf evtl. gewürfelte Katastrophen bzw. die Siegpunkte für die Weltwunder (nur das erste vollendete einer Art bringt die volle Punktzahl, nachfolgende die hälftige).
Mir persönlich gefällt die Solitair-Variante am besten. Hier hat man 10 Runden Zeit, seine Zivilisation möglichst punkteträchtig auszubauen. So kommt schon eher ein Zivilisationsgefühl auf, zumal die Beschränkung auf maximal 5 Fortschritte entfällt - also auch mehr Kombinationen ausprobiert werden können.
Rezension Arne Hoffmann
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.