Rezension/Kritik - Online seit 12.07.2025. Dieser Artikel wurde 1016 mal aufgerufen.
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Beyond the Horizon ist ein Zivilisations-Aufbauspiel, in dem wir Erfindungen machen, Ländereien entdecken und uns darauf ausbreiten.
Im Kern handelt es sich dabei um ein Arbeiter-Einsetzspiel, aber nicht wie gewohnt mit mehreren Arbeitern, denn man hat nur einen Aktionsstein. Und ist man am Zug, so kann man genau eine Aktion wählen – sofern diese nicht noch von einem Mitspieler besetzt ist. Sind zu Beginn nur wenige grundlegende Aktionen verfügbar, so erweitern sich diese im Laufe des Spiels, sowohl was Art und Anzahl der Aktionen als auch deren Stärke angeht.
Beyond the Horizon ist aber auch der Nachfolger von Beyond the Sun, und als solcher muss es sich am Ende der Rezension auch einem Vergleich mit diesem stellen.
Aber der Reihe nach – schauen wir uns zunächst mal das Spielmaterial an.
Hier gibt es im Wesentlichen drei Komponenten:
Der Technologiebaum ist dabei ein wenig das zentrale Element des Spiels. Er zeigt die anfangs verfügbaren „mickrigen“ Standardaktionen, sowie
einige „Technologien“. Hierbei handelt es sich um Karten, die – wenn sie erforscht werden – zumeist einen sehr interessanten Einmaleffekt gewähren, und im Folgenden jedem, der die entsprechende Technologie erforscht hat, weitere Aktionsmöglichkeiten gewähren.
Die Technologien sind dabei hierarchisch angeordnet: Um höhere, „stärkere“ Technologien zu erforschen, ist es unbedingt erforderlich, (meist zwei) darunterliegende Technologien bereits nutzen zu dürfen.
Technologien gibt es dabei in 4 Farben, die unterschiedliche Spezialisierungen bedeuten (rot steht beispielsweise für militärische Verbesserungen) und deren Boni und Aktionen schwerpunktmäßig etwas anders gelagert sind.
Wir haben außerdem eine kleine Startauslage von Landschaftsplättchen, welche im Laufe des Spiels noch deutlich anwachsen wird, und wir haben Gebäude in drei „Stärken“, die wir auf bereits entdeckten Landschaften bauen können.
Zuletzt besitzt jeder Spieler ein Tableau, auf dem neben einer Kurzregel sowohl seine Kapazitäten hinsichtlich Geldproduktion und Ernährung nachgehalten, als auch sein aktueller Bestand an Bevölkerung (sanduhrförmige Pöppel) und Geld gelagert wird. Zudem liegen dort viele der sanduhrförmigen Bevölkerungssteine in mehreren Spalten, die nach einem ausgeklügelten System in tatsächlich einsetzbare Bevölkerung in Form von Siedlern und Soldaten mit unterschiedlicher Stärke umgewandelt werden können.
Jeder Spieler hat zudem noch individuelle Fähigkeiten und Ziele, die in Form einer vor Spielbeginn ausgewählten Karte ebenfalls auf dem Tableau abgelegt werden.
So viel als grober Überblick zu den Komponenten.
Kommen wir nun zum Spielablauf.
Dieser ist im Grunde sehr simpel, denn man nimmt seinen Aktionsstein, versetzt ihn auf eine freie Basisaktion oder eine Aktion einer von einem selbst bereits erforschten Technologie und führt die entsprechende Aktion aus. Anschließend gibt es eine optionale Expansionsphase, und zuletzt nimmt man sich Einnahmen – und schon ist der nächste Spieler dran, sofern man nicht im späteren Spielverlauf noch das Erfüllen einer Siegbedingung für sich in Anspruch nehmen kann.
Mögliche Basisaktionen sind beispielsweise
Durch bessere Technologien können stärkere Aktionen freigeschaltet werden, wie beispielsweise
Durch Bewegungsaktionen - genauer gesagt beim „Verlassen“ des bisher entdeckten Geländes - entdeckt man neue Landschaften, die zufallsbasiert gezogen und an der entsprechenden Stelle angelegt werden und immer auch einen Sofortbonus bringen.
Auf diesen kann man dann mit den entsprechenden Aktionen / Technologien Dörfer gründen (erfordert Siedler bestimmter Stärke, die danach „sterben“ und wieder auf das eigene Tableau zurückkehren), was ebenfalls einen Sofortbonus bringt, bzw. diese Dörfer zu Städten ausbauen (erfordert Soldaten bestimmter Stärke, die danach „sterben“ und wieder auf das eigene Tableau zurückkehren), was am Spielende Siegpunkte bringt.
Nachdem man seine Aktion ausgeführt hat, kann man eine optionale Expansionsphase ausführen. In dieser kann man – sofern man sie durch vorangegangene Aktionen erhalten hat – Gebäude auf ansonsten unbebaute Landschaften bauen, was Geld und Bevölkerungssteine kostet und Soforteffekte oder Siegpunkte am Spielende bringt.
Und man kann diese Gebäude ausbauen oder – nach einem etwas anderen Mechanismus als in der Aktionsphase – auch in der Expansionsphase ein Dorf oder eine Stadt errichten.
Zuletzt erhält man Einnahmen: wahlweise Bevölkerungssteine oder Geld (eine dritte Möglichkeit besteht darin, Dinge gegen andere umzutauschen, was bisweilen – aber eher selten – sinnvoll sein kann).
Wie viel man jeweils erhält hängt davon ab, wie viel Geld- oder Bevölkerungs-„Einkommen“ man freigeschaltet hat, was z.B. durch Soforteffekte beim Erforschen von Technologien oder durch den Bau von Dörfern, Städten und Gebäuden geschieht, deren Gründung man mit einem vom eigenen Plan genommenen Klötzchen anzeigt, wodurch die Einkommensleisten „entklotzt“ werden und dadurch größere Einnahmen gewähren.
Das Spielende wird eingeläutet, sobald eine spielerzahlabhängige Anzahl von Zielen erreicht wurde.
Diese wurden zu Spielbeginn festgelegt, und variieren von Partie zu Partie. Mögliche Ziele sind beispielsweise die Gründung von 3 Städten oder das Erforschen von 10 Technologien, von denen man jeweils eines am Ende seines Zuges für sich beanspruchen kann.
Am Ende gewinnt der punkreichste Spieler, wobei es einige Quellen für Siegpunkte gibt: Siegpunkte von Zielkarten, von Technologien, von gegründeten Städten oder errichteten Gebäuden und noch einige weitere mehr.
Beginnen wir mal bei dem, was man als erstes sieht: Die Grafik.
Diese ist durchaus gelungen, allerdings befinden sich beispielsweise auf den Landschaftsplättchen derart viele „technische“ Symbole, dass die eigentliche Grafik doch stark in den Hintergrund tritt.
Die Symbolik ist gut gelungen und alle Symbole sind auch hinten in der Anleitung nochmals aufgelistet und erklärt. Lediglich die Texte und Symbole auf den individuellen Zielkarten sind etwas klein geraten – hier hatten nicht nur ältere Mitspieler Probleme mit der Lesbarkeit.
Für die Entwicklungskarten, die Zielkarten, die individuellen Fähigkeiten und Ziele, sowie die Personenkarten gibt es sogar ein Glossar, in dem diese erklärt sind – allerdings liegt dieses dem Spiel nicht bei, sondern ist nur zum Download verfügbar.
Das übrige Material ist zweckmäßig und von guter Qualität: Alles ist klar erkennbar, die Spielertableaus sind doppellagig (mit Aussparungen für die Bevölkerungssteine und Würfel) – allerdings nervte die Anzeige der Stärke von Siedlern und Soldaten, die mit kleinen, unterschiedlich farbigen Pappchips angezeigt wird, welche oben auf die Bevölkerungssteine zu legen sind. Das ist ziemlich fummelig und führte auch bei weniger schusseligen Spielern des Öfteren zu etwas Chaos und Unordnung auf dem Landschaftsplan.
Dem Spiel liegen erfreulicherweise Druckverschlussbeutel bei. Allerdings haben diese Größen, welche uns ratlos hinterlassen haben, welches Material denn da wie hineinpassen soll und wie die Aufbewahrung gedacht ist. Im Grunde ist das kein großes Thema, weil ja jeder Spielerhaushalt vermutlich mit Tütchen in allen möglichen Größen ausgestattet ist und hier schnell Abhilfe schaffen kann – aber etwas seltsam fanden wir das schon.
Kommen wir nun zum Spiel selbst.
Die grundsätzliche Mechanik des einen Aktionsteins, mit dem man aus Basisaktionen oder Aktionen auf freigeschalteten Technologien eine Aktion auswählt, und das Entwickeln eigener Technologien bzw. das „Hinterherforschen“ bei den Mitspielern, um auch die von ihnen erforschten Aktionen nutzen zu können, so sie einem selbst denn interessant erscheinen, die gefällt mir sehr gut.
Mit dem Entwicklungsbaum hat man ein sehr konstruktives Element, bei dem die halb-zufällig ausgewählten Technologien für Spannung sorgen und jede Partie anders verlaufen lassen.
Etwas anders verhält es sich mit dem Entdecken und Besiedeln von Landschaften und dem Bau von Dörfern, Städten und Gebäuden.
Ist das Entdecken noch einfach und eingängig, so empfinde ich das Bebauen mit Dörfern, Städten und Gebäuden sowie den eventuellen Ausbau der letzteren als viel zu kleinteilig. Im Grunde macht man jedes Mal dasselbe: Man betritt ein Feld oder steht bereits auf diesem und benötigt dann Figuren einer bestimmten Stärke um zu Bauen, wofür man eine Sofortbonus oder Siegpunkte am Spielende erhält. Dass es einmal eines Siedlers und einmal eines Soldaten bedarf, dass Gebäude auf die Landschaft gelegt werden (aber letztlich die gleiche Funktion haben) und in einem zweiten Schritt ausgebaut werden können, und dass das Bauen von Dörfern und Städten zudem in der Expansionsphase etwas anders funktioniert als in der Aktionsphase, das benötigt eine große Regelmenge für letztlich nahezu dasselbe Ergebnis. Hier hatte ich sehr stark den Eindruck, dass hier einfach um ihrer selbst Willen mehr Aktionen angeboten werden sollten, die allerdings keinen spielerischen Mehrwert ergeben.
Zudem sind Gebäude sechseckige Plättchen der gleichen Größe wie die darunter liegenden Landschaften, wodurch letztere komplett abgedeckt werden. Rein optisch zumindest ist dies ein ziemlicher ästhetischer Bruch.
Die Interaktion hält sich insgesamt in Grenzen und beschränkt sich auf das gelegentliche Besetzen von Aktionen oder Bauen von Dörfern, Städten und Gebäuden an von Mitspielern gedanklich schon für sich eingeplanten Stellen, wobei man sich auf dem Landschaftsplan nicht zwingend ins Gehege kommen muss, sondern auch weitestgehend friedlich nebeneinander her bauen könnte.
Im Grunde spielt man auch insgesamt größtenteils nebeneinander her, weswegen viele Mitspieler in erster Linie die Spieldauer, aber nicht den Spielspaß erhöhen. Zudem ist nur sehr schwer und nicht ohne genaue Analyse der Landschaftsauslage erkennbar, wer denn gerade in Führung liegt und wie man selbst steht. Ein Mitspieler schrieb mir dazu am Folgetag „Das war kurz ein Grund, dass bei mir nach 75 % des Spiels so eine Art Ermüdung eingesetzt hat. Es war ein Wettlauf mit mir selbst und es gab kein richtiges Erfolgserlebnis während des Spiels, bzw. auf das man hin gearbeitet hat.“
Unter dem Strich empfand ich Beyond the Horizon auch aufgrund leichter Kettenzugeritis somit als etwas zähes und interaktionsarmes Spiel, welches ich vor allem dann empfehle, wenn man ein eher konstruktives und wenig konfrontatives Spiel sucht und vorzugsweise noch in kleiner Runde spielt, denn am besten empfand ich es tatsächlich zu zweit: Es gehen kaum spielerische Elemente verloren, aber die Wartezeiten sind nicht so lang.
Interessanterweise empfanden dies sowohl Mitspieler, die vorher Beyond the Sun noch nicht kannten, ähnlich wie diejenigen, die den Vorgänger schon gespielt hatten (was die überwiegende Mehrheit war) – womit ich zum Vergleich der beiden Spiele komme.
Dieser hat in meinen Augen und auch in denen aller meiner Mitspieler (auch derjenigen, die Beyond the Sun erst nach Beyond the Horizon gespielt haben) nämlich einen eindeutigen Sieger – und das ist mit Beyond the Sun ganz klar der Vorgänger. Dabei ist Beyond the Horizon für sich genommen kein schlechtes, sondern ein durchaus ordentliches Spiel.
Im Vergleich der beiden Spiele wirkt es aber eher so, als sei es zuerst da gewesen, danach nochmals redaktionell bearbeitet und von unnötigem Ballast befreit, auf das Wesentliche reduziert und dann als Beyond the Sun neu veröffentlicht worden. Wo Beyond the Horizon sich zäh und überladen anfühlt, spielt sich Beyond the Sun elegant und knackig (zu dritt locker unter 60 Minuten, wogegen Beyond the Sun auch nach mehreren Partien bei 30 Minuten pro Spieler verharrte) und mit kurzen Wartezeiten. Beyond the Sun ist einerseits konstruktiv (Entwicklungsbaum) und andererseits interaktiv (Planetenspielplan) und es ist recht gut überschaubar, wo man im Ranking gerade steht.
Im Grunde gibt es nur ein Element, welches mir bei Beyond the Horizon besser gefällt, und das sind die „erweiterten Basisaktionen“, beispielsweise das Erforschen von Technologien der Stufen 3 und 4. Diese waren bei Beyond the Sun abgedeckt und wurden erst im Spielverlauf freigeschaltet – unter Umständen aber auch nicht, je nach Fortschritt auf dem Technologiebaum. Bei Beyond the Horizon stehen diese stufenweise automatisch jedem zur Verfügung, der eine bestimmte Zahl an Dörfern oder Städten gegründet hat, was deutlich eleganter wirkt.
Dies allein reicht jedoch leider nicht aus, um Beyond the Sun vom klaren Siegerthron zu stoßen. Allenfalls zu zweit könnte ich mir vorstellen, Beyond the Horizon sporadisch den Vorzug zu geben – in allen anderen Fällen geht der Griff ganz klar zum spacigen Vorgänger.
Rezension Michael Andersch
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Beyond the Horizon:
4,0, 2 Bewertung(en)
| Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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15.03.25 von Michael Andersch - Für alle, die es eher solitär und ruhig mögen oder nur zu zweit spielen eine gute Wahl. Allen anderen empfehle ich eindeutig den deutlich knackigeren Vorgänger Beyond the Sun. |
| Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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07.07.25 von Frank Gartner - Vom Grundsatz gefällt mir \"Beyond the Horizon\" gut. Es bietet verschiedene Wege, um Punkte und damit letztendlich den Sieg zu erlangen. Allerdings ist es doch sehr kleinteilig in den Regeln und dadurch braucht ein Spielzug seine Zeit. Im Spiel zu viert entsteht dadurch für meinen Geschmack etwas zu viel Downtime, es sei dem alle Spieler haben schon diverse Partien absolviert, aber wie häufig ist dies der Fall? |
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