Rezension/Kritik - Online seit 17.11.2025. Dieser Artikel wurde 643 mal aufgerufen.
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Gleich mal vorweg: Ich bin analoger Brettspieler, altersbedingt nicht mehr so auf dem neuesten Stand der Technik, altmodisch auch in meiner Einstellung. Digital Games (Computerspiele, PC-Spiele, Spielekonsolen, etc.) spiele ich seit Jahren gar keine mehr. Zero, null, nada, niente, nichts!
Ob ich dann der Richtige bin, um über dieses Spiel zu berichten, welches seinen Ursprung in einem Videospiel hat? Kann ich selbst nicht beurteilen, aber ich werde zumindest versuchen, meine jahrelange Expertise betreffend Brettspiele für eine kompetente Rezension einzusetzen. Denn als solches ist Slay the Spire ein klassisches kooperatives, asymmetrisches Deckbauspiel, bei dem wir Spieler in 3 Akten gemeinsam Monster verkloppen, um schlussendlich dem Endgegner gegenüberzustehen.
Zuerst entscheiden wir uns einmal für einen der vier zur Auswahl stehenden Charaktere. Wir nehmen die passende Spielfigur und das dazugehörige Spielertableau, auf dessen Leisten wir mit drei kleinen Plastikwürfeln die Grundwerte markieren: 3 Energie, 0 Block und das Maximum an Trefferpunkten (je nach Charakter 9 oder 10).
Unser wichtigstes Asset sind jedoch unsere Spielerkarten. Unser Startdeck besteht - mit einer Ausnahme - aus 10 Karten, die allerdings sehr rudimentäre Fähigkeiten aufweisen. Um unser Deck langsam aufzupeppen, stehen uns individuelle, also für jeden Charakter unterschiedliche Beutekarten zur Verfügung, die wir in zwei getrennten Decks - normale und seltene - bereitlegen.
Jetzt müssen wir nur mehr den Spielplan selbst vorbereiten, indem wir eine zufällige Boss-Karte verdeckt auslegen, auf markierte Felder Spielplanmarker verteilen und den Stiefel als gemeinsame Figur für uns alle auf das Startfeld stellen. Die Karten für die Ereignisse, sowie für alle Monster (normale Monster, Elitemonster und Untertanen) werden griffbereit neben den Plan gelegt.
Im Laufe des Spiels bewegen wir unsere Gruppe (den Stiefel) auf dem Spielplan von Raum zu Raum. Es gibt zwar dafür verschiedene Pfade, aber jeder Schritt bringt uns dem Endgegner näher. Je nach Raum dürfen wir uns am Lagerfeuer ausruhen, bei einem Schatz ein Relikt erhalten, beim Händler nützliche Sachen kaufen, oder es tritt durch eine zufällig gezogene Karte ein Ereignis ein, das wir abhandeln.
Am häufigsten treffen wir jedoch auf irgendwelche Monster, gegen die wir antreten müssen. Der Kampf macht schließlich das Kernelement des Spiels aus, weshalb es angemessen ist, darauf näher einzugehen. Zuerst werden entsprechende Monsterkarten gezogen und zufällig uns Helden am rechten Rand des Spielplans zugeordnet. Oft kommen noch zusätzliche Untertanen dazu, die ein Monster tatkräftig unterstützen. Die Start-Trefferpunkte jeder Kreatur werden mit einem Würfel auf der Karte markiert.
Der Kampf geht über mehrere Runden. Zuerst kommen wir Helden an die Reihe. Zu Beginn unseres Spielerzuges stellen wir unsere Energie auf 3, unseren Block auf 0 und ziehen 5 Handkarten. Dann würfeln wir mit einem ganz normalen Sechsseiter. Das Ergebnis bestimmt die Aktionen einiger Monster und kann gleichzeitig Fähigkeiten unserer Relikte auslösen.
Anschließend dürfen wir - in beliebiger Reihenfolge, sowie am besten nach erfolgter Absprache untereinander! - Karten aus unserer Hand ausspielen, wofür wir Energie aufwenden müssen. Die Karten können unseren Block erhöhen, um für den Gegenangriff unseres Gegners gewappnet zu sein, Schäden an Gegnern verursachen, um deren Trefferpunkte zu senken oder sie ganz auszuschalten (bei TP 0), oder sonstige Effekte auslösen. Am Ende unseres Zuges werfen wir alle verbliebenen Handkarten ab.
Sollten dann noch Monster übrigbleiben, werden diese nun im Gegnerzug aktiv. Jedes Monster und jeder Untertan greift (im Normalfall) jenen Helden an, der sich in derselben Reihe befindet. Jeder Treffer, der von uns nicht geblockt werden kann, reduziert unsere Lebenspunkte (TP). Sollte dadurch auch nur ein einziger von uns Helden seinen letzten Trefferpunkt einbüßen, haben wir alle gemeinsam verloren.
Der Kampf endet, wenn wir alle Monster besiegen konnten. Daraufhin erhalten wir die angegebenen Belohnungen, meist etwas Gold, oft eine neue Beutekarte, die wir ab dem nächsten Kampf einsetzen können. Dadurch steigern wir allmählich die Fähigkeiten unseres Helden, was auch dringend notwendig ist, um gegen die ebenfalls immer stärker werdenden Monster bestehen zu können.
Besiegen wir schließlich auch den Boss, haben wir den ersten Akt geschafft, und können uns dem 2., danach dem 3. Akt widmen. Mit dem Sieg über den - anfangs übermächtig erscheinenden - Endboss des 3. Aktes gewinnen wir als Team die Partie.

Slay the Spire weist drei Charakteristika auf, die mir sehr gut gefallen und die ich bei Brettspielen liebe: Kooperation, Deckbau und Asymmetrie. Wenn ein Spiel dann gleich alle drei Dinge vereint, kann ich einfach nicht widerstehen, auch wenn der Verkaufspreis recht hoch liegt.
Wir gehen also gemeinsam als Heldengruppe gegen böse Monster vor. Selbst wenn jeder von uns sein persönliches Deck hat und mit seinen Karten haushalten muss, so kommt der Kooperation doch eine hohe Bedeutung zu. So beraten wir uns schon vorab untereinander, welchen Pfad wir nehmen, welche Räume wir betreten sollten.
Noch wichtiger ist die Zusammenarbeit beim Vermöbeln von Monstern. Zwar ist jede Monsterreihe einem bestimmten Helden zugeordnet, was bedeutet, dass die Monster und Untertanen dieser Reihe im Regelfall nur diesen Helden angreifen. Wir Helden dürfen jedoch jede ausliegende Monsterkarte als Ziel eines Angriffs wählen. Wir sollten unsere Aktionen daher koordinieren, uns möglichst gut absprechen, wie unsere Angriffe auf die Monster verteilt werden sollten, welches Monster wie, wann und von wem besiegt werden sollte. Hierbei gilt es auch zu berücksichtigen, wie viele Treffer jeder von uns im anschließenden Gegnerzug einstecken müsste, wie viele Schäden wir überhaupt noch aushalten können, etc.

Wie bei jedem klassischen Deckbauspiel starten wir mit sehr moderaten Mitteln. Jedes Startdeck enthält 4 oder 5 einfache "Schläge" und ein paar Verteidigungen ("Block"), mit Kosten zu je 1 Energie. Für neue Karten stehen uns die beiden persönlichen Beutekarten-Decks (normale Beutekarten und seltene Beutekarten) zur Verfügung. Immer wenn wir eine neue Beutekarte erhalten, sei es als Belohnung in einem Kampf, bei gewissen Ereignissen oder beim Händler, dürfen wir 3 Karten vom entsprechenden Stapel ziehen und eine davon unserem Deck hinzufügen.
Völlig ungewohnt ist allerdings, dass wir nicht nur neue Karten erhalten, sondern unsere bestehenden Karten verbessern können, etwa bei einem Lagerfeuer. In diesem Fall nehmen wir die Karte aus der Hülle und drehen sie um. Die Rückseite zeigt entweder einen verbesserten Effekt, oder niedrigere Energiekosten. Alle Karten in unserem Deck, sowie alle Bonuskarten müssen aus diesem Grund vor der allerersten Partie in eine Kartenhülle mit nur einer durchsichtigen (Vorder-)Seite gesteckt werden. Ein wenig Arbeit zwar, aber es ist die Mühe wert.
Auf diese Weise können wir unser Deck aufpeppen, ohne dass es allzu dick wird. Versierte Deckbauspieler wissen, dass bei einem schlanken Deck die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die stärkeren Karten öfter auftauchen. Und natürlich gibt es auch hier die Möglichkeit, schwächere (Start-)Karten ganz aus dem Spiel zu entfernen. Der Kniff mit dem "Karten verbessern" sorgt jedenfalls für frischen Wind, selbst für "deck building"-erfahrene Spieler.
Fehlt nur mehr der dritte Punkt: Die Asymmetrie. Die persönlichen Bonuskarten sind nämlich bei jedem Spieler unterschiedlich. Jeder Held entwickelt seine eigenen Fähigkeiten, seine Besonderheiten. So hat "Der Eiserne" beispielsweise mehrere Möglichkeiten, seine Stärke zu erhöhen, um mit seinen Treffern zusätzlichen Schaden zu verursachen. "Die Stille" arbeitet viel mit Giftmarkern, um die Monster immer mehr zu schwächen, oder aber auch mit Messern.

"Das Defekte" erschafft immer wieder sogenannte "Orbs", welche bei deren Entladung Blitze, Frost oder Schatten erzeugen, die auf unterschiedliche Weise genutzt werden können. "Die Seherin" schließlich nimmt verschiedene Haltungen ein (Neutral, Ruhe oder Zorn), um diverse Fähigkeiten zu erhalten. Wir müssen unsere Spielweise dementsprechend anpassen, um die Vorzüge unseres Helden bestmöglich zu nutzen. Dies sorgt gleichzeitig auch für Abwechslung. Dabei spielt sich jeder Held nicht nur anders, je nach ausgewählten Bonuskarten können wir unseren Helden auch auf mehrere Arten verbessern. Die Folge davon ist ein doch recht hoher Wiederspielreiz.
Klingt nun so, als ob ich zu 100 % zufrieden sein könnte, nun da Deckbau, Kooperation und Asymmetrie in einem Spiel vereint sind. Leider stimmt dies nicht ganz. Die Spielregel ist suboptimal. Unzählige Regeldetails sorgen dafür, dass wir immer wieder mal nachschlagen müssen, was durch die schlechte Gliederung der Spielanleitung erschwert wird.
Und dann gibt es da dutzende Symbole, besonders für den Kampf, der ja den größten Teil einer Partie ausmacht. Die Symbole für "Schaden" und "Block" (die Angriffs- und Verteidigungswerte sozusagen) kommen ja permanent vor, während Besonderheiten, wie Stärke-, Verwundbar- und Schwächemarker, Flächenschaden, Gift, Benommen-Karten, etc. eben nicht intuitiv zu erfassen sind. Das kann einen schon zur Verzweiflung bringen. Vielleicht liegt dies daran, dass ich das Videospiel gar nicht kannte. Mitspieler, die dieses bereits gespielt hatten, fanden viel schneller in das Spiel rein und erfassten die Regeln fast automatisch.
Ein Akt dauert - je nach Spielerzahl - zwischen 60 und 90 Minuten. Nachdem ja insgesamt drei Akte bis zum Endgegner zu bewältigen sind, kann man berechtigterweise von einem abendfüllenden Spiel sprechen. Glücklicherweise müssen wir aber nicht alle drei Akte in einem Stück durchspielen. Ein geschicktes System ermöglicht das "Speichern", sodass wir alle unsere erworbenen und verbesserten Bonuskarten, unsere Relikte und Schätze in die nächste Partie mitnehmen können, auch wenn die Fortsetzung erst eine Woche oder einen Monat später stattfindet.

Auch wenn durch die unterschiedlichen Verbesserungen, die verschiedenen Helden und zufällig auftretenden Monster schon genug Abwechslung geboten wird, werden für erfahrene Spieler noch einige Zuckerl angeboten: Helden können sich im Laufe der Zeit weitere Extrakarten freischalten, ein Aufstiegsmodus stellt die Helden vor größere Herausforderungen, und wir können Errungenschaften ankreuzen.
Wenn alle drei Schlüssel freigeschaltet wurden, wofür das ganze Team entweder auf bestimmte Vorteile verzichten oder ein besonders hinterhältiges Monster besiegen muss, können wir sogar noch einen Akt IV mit epischem Endboss durchspielen. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich Gruppen finden, die gemeinsam tiefer in das Geschehen eintauchen möchten. Für mich persönlich reicht jedoch das "normale" Spiel durchaus.
Noch ein paar Bemerkungen zum Spielmaterial. Die Illustrationen finde ich nicht sehr berauschend, sie kommen bei weitem nicht an die Klasse anderer Spiele dieses Genres ran. Besonders die Monster weisen einen eigenartigen Comic-Stil auf. Dies kommt daher, dass sie sich am Vorbild des Videospiels orientieren, und ein Wiedererkennungswert sicher benötigt wird. Dass alle Karten in Kartenhüllen kommen, verringert ihre Abnützung und steigert somit die Haltbarkeit.
Die große Schachtel bietet genug Platz und Abteilungen für eine ordnungsgemäße Unterbringung. Trotz der Menge an Karten, Kartenhüllen, diversen Tableaus, Markern, Würfel, Chips und Figuren ist der Verkaufspreis von über 100,-- Euro materialmäßig nur schwer zu rechtfertigen.
Was den Spielreiz anbelangt, habe ich den Kauf allerdings bis jetzt auf keinen Fall bereut. Das spannende, gemeinsame Spielgefühl wiegt die grafischen Schwächen mehr als auf. Von mir erhält Slay the Spire also eindeutig ein "Daumen hoch!". Zum Computerspiel werde ich mich aber mit Sicherheit nicht überreden lassen, und wenn mir das Brettspiel noch so gut gefällt ...
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Slay the Spire: The Board Game:
6,0, 1 Bewertung(en)
| Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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25.07.25 von Franky Bayer - Ein kooperatives, asymmetrisches Deckbauspiel? Allein deshalb müsste ich schon die 6 vergeben. Aber es gefällt mir tatsächlich auch spielerisch gut, weshalb die Höchstnote gerechtfertigt ist. |
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