Rezension/Kritik - Online seit 01.03.2025. Dieser Artikel wurde 1277 mal aufgerufen.
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Schamanen sind ja - bei primitiven, oder treffender ausgedrückt: naturnahen Völkern - die spirituellen Führer. Sie verstehen die Gesetze der Natur besser als ihre Stammesmitglieder und geben daher weisen Rat, was zu tun sei. Wenn mal die Trockenheit zu lange dauert, muss ein Regentanz helfen. Wenn schlimme Naturgewalten dem Stamm zu schaffen machen, müssen die Götter und Geister besänftigt werden.
Jetzt ist die Zeit aber ganz besonders herausfordernd, der Stamm in großer Gefahr. Nur gemeinsam mit anderen Schamanen können wir versuchen, mithilfe der Anordnung der Elementarsteine die Naturgewalten zu entfesseln und unsere Heimat zu beschützen.
Die Elementarsteine repräsentieren die Elemente Dunkelheit (violett), Licht (gelb), Wasser (blau), Feuer (rot) und Pflanzen (grün). Je acht von jeder Farbe kommen in einen Beutel, danach zieht jeder von uns am Spielbeginn zufällig vier Steine heraus.
Das Ritual wird in sechs Schritten vollzogen, die innerhalb dreier zeitlich begrenzter Runden vollendet werden müssen. Vor jedem "Ritualschritt" müssen aber drei von uns Schamanen ihre "Inspiration" gefunden haben. Was bedeutet dies? Vor jeder Runde erhält jeder von uns eine zufällige Inspirationskarte, die vorgibt, welche und wie viele Elementarsteine er vorweisen muss.
Die Steine, die wir anfangs erhalten, reichen aber auf keinen Fall aus, Inspiration zu finden, schließlich müssen wir dafür - je nach gezogener Karte - fünf gleiche Steine, zwei Mal drei gleiche Steine oder drei Mal zwei gleiche Steine (jeweils farblich genau definiert!) vorweisen. Was können wir also tun, um dies zu erreichen? Folgende fünf Aktionen stehen uns zu diesem Zweck zur Auswahl, von denen wir in unserem - übrigens sehr kurzen - Spielzug eine ausführen können:
* Jemandem 1 Stein geben
* 1 Stein von unserem linken Nachbarn nehmen
* 1 unserer Steine auf unsere eigene Karte "Mystische Ebene" legen
* Den Stein von unserer "Mystischen Ebene" herunternehmen
* 1 Stein auf einer fremden "Mystischen Ebene" mit einem aus dem Vorrat tauschen
Besitzen wir alle auf unserer eigenen Inspirationskarte angegebenen Steine, haben wir sozusagen unsere Inspiration gefunden, was uns berechtigt, den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen. Wir ziehen eine "Ritualkarte", die eine bestimmte Konstellation an Elementarsteinen vorgibt, die entweder von irgendeinem Spieler oder von allen zusammen erfüllt werden muss.
Erst wenn drei Schamanen ihre persönliche Inspiration erfüllen konnten, gelangen wir gemeinsam in die "Ritualphase". Hierbei gilt es nun, die Ritualkarte(n) in der angegebenen Reihenfolge zu erledigen, wofür uns dieselben oben beschriebenen Aktionen zur Verfügung stehen. Unsere Aufgabe ist es, innerhalb des knappen Zeitlimits alle für diese Runde vorgesehenen Ritualkarten zu schaffen. Nur wenn wir auf diese Weise alle drei Runden überstehen, konnten wir als Team das Ritual vollziehen und haben folglich die Partie gewonnen.
Das Spielprinzip ist im Grunde genommen recht eingängig und nicht allzu schwer zu verstehen: Wir versuchen, durch geschicktes Tauschen von Elementarsteinen zuerst unsere eigene Inspirationskarte zu erfüllen, danach die Ritualkarte(n). Warum die Angelegenheit trotzdem zu einer großen Herausforderung wird, liegt an zwei wesentlichen Faktoren.
Zum einen besteht eine (bewusste) Knappheit an Elementarsteinen. Jeder von uns besitzt anfangs ja gerade mal vier zufällig aus dem Beutel gezogene Steine. Zum Erfüllen der Inspirationskarte sind jedoch mindestens 5 Steine notwendig. Es geht sich also rein rechnerisch gar nicht aus, dass wir alle gleichzeitig unsere Inspirationskarte erfüllen können. Hier kommt es zum ersten Mal auf Zusammenarbeit an, nämlich dass sich einige Spieler zurücknehmen und sich statt auf die eigenen Bedürfnisse auf jene der Mitspieler konzentrieren. Es braucht aber ein wenig Gespür dafür, auf was die Mitspieler "sparen", außerdem ist es hilfreich, die möglichen Kombinationen zu kennen.
Und dann spielt der Zeitdruck noch eine große Rolle. Unbarmherzig ticken die Sekunden dahin. Die Runde muss ihren Spielrhythmus dementsprechend anpassen. Die einzelnen Aktionen sind kurz und schnell erledigt. Im Idealfall wird die Spielfigur "Totem", die anzeigt, wer gerade am Zug ist, im Sekundentakt weitergereicht.
Für gründliche Analysen bleibt ohnehin keine Zeit. Statt sinnlos wertvolle Augenblicke verstreichen zu lassen, ist es daher besser, irgendeine x-beliebige Aktion zu tätigen, damit jene Mitspieler, die vielleicht schon eine Ahnung haben, eine Art Plan verfolgen, nicht unnötig aufgehalten werden. Solche gefühlt unnütze "Leeraktionen" sind ungewohnt, und wir müssen uns erst darauf einstellen, die Kontrolle über das Geschehen teilweise anderen zu überlassen.
Noch ein Aspekt kann unseren Spielfluss hemmen. Beim Tausch von Elementarsteinen geschehen immer wieder Fehler. Vor allem ungeübten Spielern und Anfängern kann es leicht passieren, dass sie Steine abgeben oder nehmen, obwohl dies wegen der Mindestanzahl an Elementarsteinen eines Spieler (2 Stück!) eigentlich nicht erlaubt wäre. Und auch die Sache mit den "Mystischen Ebenen" erschließt sich nicht intuitiv. Es ist uns nämlich verboten, den Stein, der auf unserer eigenen Karte "Mystische Ebene" liegt, mit einem Stein aus dem Vorrat zu tauschen, was aber immer wieder mal versucht wird.
All diese Grundregeln und Feinheiten wollen von uns erst verinnerlicht werden. Es empfiehlt sich daher, dass alle Mitwirkenden nach der allerersten Partie, die eigentlich bloß als Kennenlernspiel genutzt werden sollte, die Tipps und Tricks am Ende der Spielanleitung gemeinsam durchlesen. Darin wird auf die Notwendigkeit von Zusammenarbeit hingewiesen, darauf dass die "Mystischen Ebenen" geschickt genutzt, und dass vor allem zügig gespielt werden sollte. Der Einstieg in Ritual ist ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig, aber es lohnt sich meiner Meinung nach, sich auch bei anfänglichem Scheitern und ärgerlichem Misserfolg darauf einzulassen und es erneut zu probieren.
Haben wir die Anfangshürde gemeistert, werden wir mit einem doch recht variablen Spiel belohnt. Das "Alte Buch der Rituale" bietet uns neben dem ersten "Initiationsritual" (Kapitel 1) noch weitere drei Kapitel mit insgesamt 12 weiteren Ritualen mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Dies äußert sich mit komplexeren Anforderungen, komplizierteren Bedingungen. Wichtig ist, dass vor Beginn jedes Rituals alle möglichen Kombinationen genau besprochen werden, sodass jeder teilnehmende Schamane Bescheid weiß, was verlangt wird. Hilfreich hierfür sind die Ritualkarten, die wir offen auf das zugehörige Ritualtableau in der Mitte des Tisches platzieren.
Doch selbst innerhalb jedes Rituals können wir die Schwierigkeitsstufe noch nach Belieben einstellen. Entscheidend dafür ist das gewählte Zeitlimit. Im Level "Lehrling" haben wir am längsten Zeit für die Bewältigung eines Ritualschrittes. Für die Level "Geselle", "Meister" und "Guru" haben wir - je nach Ritual - jeweils um 30 oder 60 Sekunden weniger Zeit. Die Spielanleitung rät (und ich stimme dem zu), jedes neue Ritual als "Lehrling" zu beginnen und sich allmählich zu steigern.
Die Spielerzahl ist für das normale Spiel mit 3 bis 6 Personen angegeben. In größerer Besetzung sind zwar insgesamt mehr Elementarsteine im Umlauf, was die Erfüllung von Inspirationskarten erleichtert, dafür sind manche Ritualkarten schwieriger zu erfüllen. In kleineren Runden kommt es naturgemäß etwas stärker auf den einzelnen Spieler an. Es existiert aber auch eine 2-Personen-Variante, bei der jeder Spieler zwei Sets von Elementarsteinen getrennt voneinander kontrolliert. Leider kann ich nicht darüber berichten, wie gut diese Variante tatsächlich funktioniert, da ich Ritual bisher nur zu dritt, zu viert und zu fünft ausprobiert habe. Ich kann mir aber vorstellen, dass es ebenfalls ziemlich stressig zugeht.
Das Spielmaterial ist ansprechend. In der kompakten Schachtel finden sich schöne Holzmarker, ein großer hölzerner Pöppel "Totem" für die Anzeige des aktuellen Spielers, Ritualtableaus, zwei Hefte (Spielanleitung und das "Alte Buch der Rituale"), Karten und Elementarsteine, die in einem handlichen Stoffbeutel Platz finden. Eine besondere Erwähnung verdient allerdings die grafische Gestaltung in stilvollem, buntem Design, das an indianische Muster erinnert.
Ich habe zu Ritual auch schon ein paar kritische Anmerkungen, einige negative Kritiken gelesen. Ich kann diese jedoch nicht nachvollziehen. Sicher: Die Gruppe muss sich auf das Spiel einlassen, sich auf die spezielle Herausforderung einstellen. Nur gemeinsam lässt sich Ritual überhaupt gewinnen. Der enorme Zeitdruck ist klarerweise nicht jedermanns Sache. Ich persönlich empfinde das Spielgefühl als originell und sehr intensiv. Schön ist zudem, dass das bei vielen Teamspielen auftauchende Alpha-Spieler-Problem hier praktisch kaum vorkommt. Auch aus diesem Grund kann ich Ritual jedem Liebhaber von kooperativen Spielen ans Herz legen. Ein Versuch zahlt sich allemal aus.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Ritual:
4,0, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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20.01.25 von Franky Bayer - Kooperatives Spiel mit ungewohnter Mechanik und großem Zeitdruck. Wer die Einstiegshürde überwindet, findet ein spannendes Koop-Spiel vor. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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30.12.24 von Andreas Büger |
Leserwertung Ritual:
1.0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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17.12.24 von renus - Wie erreiche ich mein Ziel, Spielsteinkombinationen vor mir zu sammeln? Ist das eine Frage für ein kooperatives Spiel? Für den Spielautor offenbar ja. Der Weg zum Spielziel ist damit aber so vorgezeichnet, dass eigentlich die Mitspieler \"mein\" Ziel ermöglichen müssen, damit ich es erreichen kann; ... und was ist mit den Zielen aller anderen Mitspieler? Diese sollten aber auch, irgendwann, ihre Ziele erreichen. Das klingt eher nach einem Konkurrenzspiel, als zu nach einem kooperativen, und so kommt es zu einer Unsicherheit, wie man das sehr unübersichtliche Regelsystem interpretieren soll; da spielt man so vor sich hin, weiss nicht recht, wie Signale der anderen zu interpretieren sind, findet nicht die Antwort in den Regeln, fängt an Verlegenheitszüge zu machen, weil der einzige Zug, der weiterführen würde nicht ausführbar ist nach den Regeln. So ist das Spiel nach einer Stunde nur noch nervend und langweilig, sprich für andere Spieler als mich und meine Spielegruppen oder für die Tonne. |