Rezension/Kritik - Online seit 07.02.2020. Dieser Artikel wurde 7353 mal aufgerufen.

ERA: Das Mittelalter / Era: Medieval Age

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Autor: Matt Leacock
Illustration: Chris Quilliams
Verlag: eggertspiele
Pegasus Spiele
Rezension: Christoph Schlewinski
Spieler: 1 - 4
Dauer: 45 - 60 Minuten
Alter: ab 8 Jahren
Jahr: 2019
Bewertung: 4,0 4,0 H@LL9000
5,0 5,0 Leser
Ranking: Platz 3952
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ERA: Das Mittelalter / Era: Medieval Age

Spielziel

Ich hab gefühlte 34728549 Mittelalterstädte in Brettspielen gebaut. Aber ich hab noch nie eine GEBAUT. Also so richtig, mit richtigen Häusern und Mauern. Aber genau das kann man jetzt bei ERA. Bauen bis der Arzt kommt. Oder die Pest. Oder die Briganten. Oder eine Revolte. Oder eine Hungersnot. Mittelalter eben.

Ablauf

Ganz bei Null muss man bei ERA nicht anfangen, ein bisschen Stadt gibt es schon. Ein paar Mauern, Äcker, Bauernhäuser und einen Turm. Die letzten beiden sind bei diesem Spiel Gebäude, die je einen Würfel bringen, denn das ist ERA im Grundkern: ein Würfelspiel. Mit drei gelben und einem grauen Würfel startet jeder seine Baukarriere, jeder Würfel kann klassisch 3x geworfen werden, sollte aber ein Totenkopf erscheinen, muss er liegen bleiben. Alle würfeln hinter ihrem Sichtschirm, und ist jeder zufrieden (oder musste aufhören), geht's weiter.

Man sammelt die Ressourcen ein, die die Würfel zeigen (Holz, Stein, Korn, Truhen) und muss dann für jeden Würfel ein Korn abgeben, sonst gibt's Minuspunkte. Dann suchen Katastrophen die Städte heim. Je nachdem, wie viele Totenköpfe man gewürfelt hat, passiert etwas Schlimmes, noch Schlimmeres (vielleicht auch nur für die anderen) oder etwas ganz Furchtbares.

Und dann wird gebaut ... wenn man kleine Hämmerchen erwürfeln konnte. Pro Hammer ein Gebäude, das natürlich mit Ressourcen bezahlt werden muss. Je nach Gebäude bekommt man dann auch blaue oder weiße Würfel, die als neue Ressource Bücher zeigen, welche am Ende als Pluspunkte zählen. Manche Gebäude haben besondere Fähigkeiten (das Hospital z. B. schützt ein bisschen vor der Katastrophe "Seuche"), manche bringen einfach nur viele Siegpunkte. Aber vor allem darf man dann auch Mauern bauen, und die waren im Mittelalter natürlich spitze, weil sie die Stadt gesichert haben. Schafft man es, seine Stadt komplett zu ummauern, sind zum Schluss alle Gebäude in der Stadt doppelt so viele Punkte wert. Lohnt sich also. Und zum Schluss wird es gemein. Graue Würfel zeigen Schwerter und Schilde, und man klaut von jedem Mitspieler eine Ressource, der weniger Schwerter oder Schilde hat.

Dann geht es in eine neue Runde, solange, bis eine bestimmte Anzahl von Gebäudearten leer ist. Neben den (eventuell verdoppelten) Gebäudepunkten gibt es dann noch Bonuspunkte durch spezielle Gebäude und andere Dinge. Dann steht fest, wer im Mittelalter wohl die Stadtnase vorne gehabt hätte.

Fazit

Würfeln, Totenköpfe, Katastrophen ... das kommt einem bekannt vor? Dann hat man wohl Im Wandel der Zeiten - Das Würfelspiel gespielt, vom selben Autor, der diesen Grundmechanismus - zack - übernommen, aber trotzdem keine simple Kopie gemacht hat. ERA - Das Mittelalter ist trotz dieser Anleihe so anders, dass man es nicht zu 100 % mit IWdZdWs vergleichen kann. Dort hat man Monumente angekreuzt, hier muss man planen. Welches Gebäude wohin? Wie groß soll die Stadt werden? Oder soll man vielleicht mehrere bauen? Auf welche Sondergebäude will man sich konzentrieren? Das sind deutlich mehr Fragen, als ich mir bei IWdZdWs gestellt habe. Aber: Machen mehr Fragen einen Mechanismus interessanter? Sagen wir mal so: Er funktioniert bei ERA - Das Mittelalter. Was aber noch besser funktioniert: die Handlung.

Es ist ungemein anspornend, Mauern, Gebäude und Äcker auf seine Steckplatte zu setzen, seine Stadt wirklich wachsen zu sehen. Und dann erst die Befriedigung, wenn man die Stadtmauer endlich geschlossen hat. Man fragt sich ständig, ob man noch mehr Würfel holen soll, bringen sie doch mehr hoffentlich nützliche Ergebnisse. Aber leider verbrauchen sie auch Korn und können mit dickem Minus zu Buche schlagen, wenn die Ernte würfeltechnisch schlecht läuft.

Man kann an vielen kleinen Schräubchen drehen, aber nicht wahnsinnig oft. Es gibt eine handvoll Sondergebäude, auf die man sich konzentrieren kann, und dazu noch die Bücher als Pluspunkte. Mehr Strategien hat man nicht, da hat man relativ schnell alles ausprobiert, und variabel wie etwa Dominion ist ERA dann nun auch nicht, und verschiedene Spezialgebäude zu kombinieren bringt nicht den großen, neuen Effekt. Erweiterungen mit neuen Gebäuden sind schon auf dem Weg, und das ist nötig für ERA - Das Mittelalter.

Jetzt fragt man sich natürlich (und auch - natürlich - schon online): Hätte man dieses Spiel nicht einfach mit einem Blatt Papier und ein paar Bleistiften liefern können? Als klassisches "Würfeln-und-Ankreuzen-Spiel"? Hätte man. Hat man aber nicht. Ich war nach meiner ersten Partie auch irritiert ob dieser Materialschlacht und hatte wenig gute Worte dafür übrig. Aber nach mehreren Partien habe ich mich dann gefragt: Ist es denn so schlimm, wenn ein Verlag die extra Meile geht und richtig einen drauflegt? Wäre Azul so gut angekommen (und Spiel des Jahres geworden), wenn die Fliesen aus Pappe gewesen wären? Oder die Spielsteine bei Reef? Plan B ist ein Verlag, der bei jedem Spiel einen Schritt mehr geht, als man müsste. Und das finde ich gut, denn das Spielerlebnis wird auf Grund eines schönen und funktionalen Materials sehr gesteigert. Bringe ich ERA - Das Mittelalter mit, wird es immer gespielt. Ohne Ausnahme. Und dann sind auch Leute, denen es normalerweise zu komplex wäre, bereit, sich in dieses Spiel einzufuchsen. Kinder ab 10 zum Beispiel. Oder Wenigspieler. Weil man mit diesem Material einfach spielen WILL. So wie bei Flügelschlag. Oder eben bei Azul.

Das Material ist es dann auch, was die wenig geglückten Aspekte des Spieles überdeckt. Dass die erste Partie (besonders zu viert) viel zu lange für das Gebotene dauert. Dass die Steckplatte hässlich ist und die erst nachträglich beigefügten Sticker - ohne die man auf dem Brett fast keine Symbole erkennen könnte - eigentlich peinlich sind. Dass durch das Würfeln hinter dem eigenen Sichtschirm "durch Zufall" Würfel auf die passende Seite kippen können - und das noch nicht mal aus Absicht, sondern einfach, weil man es mit immer mehr Würfeln selbst schwer nachhalten kann, welchen man wie oft gewürfel hat.

Aber ERA - Das Mittelalter schafft es trotzdem, dass sich Spieler in dieses Spiel ein bisschen verlieben. Inklusive mir. Vom Skeptiker zum Mögiker. Ich bin sehr gespannt, was dieses Spiel in Zukunft noch alles zu bieten hat, wenn neue Gebäude herauskommen. Dann wird die Note bestimmt steigen. Bis dahin wird Mitbauen aber trotzdem empfohlen!

Rezension Christoph Schlewinski

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung ERA: Das Mittelalter / Era: Medieval Age: 4,0 4,0, 6 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 23.01.20 von Christoph Schlewinski - Eine sehr gute vier - mit mehr Sondergebäuden bestimmt noch besser.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 22.11.19 von Michael Andersch - "Roll trough the Ages" bzw. "Im Wandel der Zeiten - Das Würfelspiel" in völlig überzogener Aufmachung. Mega-Material-Overkill für letztendlich eine Kniffel-Variante (wobei das Material noch nicht mal gut ist - die Symbole auf dem Board z.B. sind kaum zu erkennen). Niemals würde ich dafür Schrankplatz opfern wollen.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.11.19 von Roland Winner - Nach erfolgtem Aufkleben aller Symbolleisten auf den Spielbrettern kann man diese gut erkennen. Das Spiel macht mir viel Spaß, erfordert aber planvolles Herangehen und ist m.E. nichts für Familien. Es überwältigt unerfahrene Spieler anfangs aufgrund der vielen Würfel/Gebäude und all deren Effekte. Es kann also mal länger dauern. Schön aussehen tut es auf jeden Fall.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 03.02.20 von Michael Dombrowski - Schade, dass man vorher auch noch die Bretter selber bekleben muss! Das Spiel hat schönes Material 3D, was aber auch die Übersicht bei den anderen Spielern erschwert. Das Spiel spielt sich flüssig, teils mit interaktivem Ärgerfaktor. Für mich okay, aber auch nichts Außergewöhnliches.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 11.02.20 von Sandra Lemberger - Das Spielprinzip ist vielleicht nicht außergewöhnlich, aber das Auge spielt mit - zumindest bei mir. Das merke ich bei diesem Spiel wieder ganz stark, denn aufgrund des Materials mag ich es sehr.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.06.20 von Andreas Faul - Das Spiel zieht sich deutlich länger als sein Vorbild und braucht durch die eingeschränkte Möglichkeit, sich vor Desastern (Katastrophen) zu schützen und durch das Erpressen eine höhere Frusttoleranz. Viel schöner als nur auf einem Block anzukreuzen ist es allerdings, die Gebäude wirklich zu bauen und damit auch den Baufortschritt der Mitspieler besser im Blick zu haben. In meinen Augen eine Fünf knapp verfehlt.

Leserbewertungen

Leserwertung ERA: Das Mittelalter / Era: Medieval Age: 5,0 5.0, 1 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 27.07.20 von Marc G. - Ein sehr schön konzipiertes Spiel, das insbesondere dadurch besticht, dass es viele verschiedene Wege zum Sieg gibt. Man kann versuchen, auf „Masse“ zu setzen, also möglichst viele Häuser und Würfel zu generieren, oder auf „Klasse“, indem man weniger Häuser baut (dadurch weniger Ressourcen braucht und keine verheerenden Seuchen riskiert). Bis zum Ende des Spiels bleibt es dabei spannend, und es gibt keine offensichtliche „Killerstrategie“. Zum Beispiel war ich mir sicher, dass man mit möglichst vielen Gebäuden und Würfeln sicher gewinnen würde - und habe mit einer sehr aggressiven Wachstumsstrategie krachend verloren. Ich habe einige Kritiken gesehen, die das Spiel als „Kniffel-Variante“ bezeichnet haben, weil man Würfel zum Nachwürfeln in drei Würfelrunden auswählen kann. So eine Bezeichnung halte ich für unsinnig und oberflächlich, denn der Kniffel-Anteil ist nur ein sehr kleiner Teil des Spiels. Einserseits gibt es den Aspekt des Ressourcen-Managements, andererseits das Platzmanagement durch den Tetris-artigen Aufbau der Gebäude. Letzteres ist auch der Grund, warum das Spiel eben nicht als Papier-Version funktioniert hätte. Es braucht wirklich das Material, denn nur so kann man am Spielbrett verschiedene Optionen durchtesten, und nur so kann die Anzahl z.B. bestimmter Mauergrößen limitiert werden (was ein wichtiger Strategiefaktor ist). Das Material ist definitiv nicht nur schönes Beiwerk (obwohl es auf jeden Fall motivierend wirkt), und es überrascht mich sehr, dass viele es als solches wahrnehmen. Es sind dann die Aspekte des Ressourcen-/Würfel-/Gebäude-/Platz-Managements, die dem Spiel eine große Tiefe geben. Schade ist dabei, dass einige andere Aspekte zu kurz kommen. Die Kulturpunkte sammelt man zum Beispiel nur so nebenbei auf, und man erwürfelt sich so einfach nur Pluspunkte ohne weiteren Sinn. Die Schwerter, die man sich erwürfeln kann, haben (insbesondere im Spiel zu zweit) nur einen sehr geringen Nutzen, da man dadurch maximal eine Ressource pro Spieler pro Zug erpressen kann. Da hätte man mehr draus machen können. Das Würfeln hinter dem (zu niedrig geratenen) Sichtschutz ist komplett hirnrissig. Nicht nur erlaubt es Schummelei - es ermöglicht auch kleine Versehen, die halt immer mal passieren. Wir sind nach dem ersten Spiel dazu übergegangen, offen zu würfeln. Jedesmal beginnt dabei ein anderer Spieler, so dass der Vorteil, als letzter würfeln zu dürfen durchrotiert. Das würde ich auch anderen Spielern empfehlen. Es erzeugt auch eine Interaktivität, die dem Spiel sonst fehlt, da man dann „gegeneinander“ würfelt. Ein großer Kritikpunkt ist die Anleitung. Leider sehe ich das bei vielen Spielen, dass die Anleitung so klobig gestaltet ist, dass man sie praktisch komplett durchlesen muss, bevor man das Spiel anfangen kann (anstatt, dass man sich das Spiel während des Spielens erschließt). Erfahrene Spieler wissen schon, dass es oft nützlich ist, solche Anleitungen von hinten nach vorne zu lesen, weil das Ziel des Spiels erst am Ende richtig beschrieben ist und man dann schneller reinkommt. Die angegebene Spielzeit von 45-60 Minuten halte ich übrigens für recht knapp. Man muss schon ziemlich zügig durch das Spiel rasen, um das Spiel so schnell abzuschließen. Zur Altersschätzung: Meine brettspielerfahrene Tochter hat mit ihren 8 Jahren keine großen Probleme damit gehabt, das Spiel zu erfassen und gab dem Spiel eine „Eins Plus“. Kleineren Kindern fällt es vielleicht ein wenig schwerer, taktisch vorauszuplanen, aber das mindert den Spielspaß nicht. Insgesamt definitiv eine Kaufempfehlung für alle, die ein schnell erfassbares Spiel mit einem angenehmen Tiefgang wünschen.

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