Rezension/Kritik - Online seit 22.11.2017. Dieser Artikel wurde 7002 mal aufgerufen.

Adrenalin / Adrenaline

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Autor: Filip Neduk
Verlag: Czech Games Edition
Heidelberger Spiele
Rezension: Lotte Schüler
Spieler: 3 - 5
Dauer: 30 - 60 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2016
Bewertung: 5,0 5,0 H@LL9000
4,4 4,4 Leser
Ranking: Platz 1195
Adrenalin / Adrenaline
Erweiterungen/Hauptspiel:Adrenaline: Team Play DLC
Auszeichnungen:2016, Golden Geek Bestes thematisches Spiel Nominierung2016, Golden Geek innovativstes Spiel Nominierung

Spielerei-Rezension

Spielerei-Kritik: Vorweg muss ich etwas klarstellen: ich habe noch nie digital rumgeballert, besitze keine Waffe und plane nicht, eine zu erwerben. Abgesehen von gelegentlichen sarkastischen Bemerkungen, wenn jemand beim Spielen stundenlag über seinem nächsten Spielzug grübelt, gelte ich (hoffentlich) als friedlicher Mensch.

Trotzdem habe ich mich dazu hinreißen lassen, Adrenalin zu spielen. Angepriesen als „First-Person-Shooter für den Wohnzimmertisch“ habe ich es also auf selbigen gelegt, um vergnügt auf meine Mitspieler zu ballern und natürlich auf mich selber ballern zu lassen.

Beim Lesen der Spielgeschichte bin ich dann doch kurz zusammengezuckt: „Auch wenn ihre Lage aussichtslos erscheint, hasten die unerschrockenen Kämpfer wie Ratten durch ihr Labyrinth und metzeln alles nieder …“ heißt es da. Oh weh, das klingt ja schrecklich. Aber jetzt ist es zu spät, die Mitspieler sitzen schon gespannt in der Runde. Jeder wird mit einer der fünf schicken Plastikfiguren ausgestattet, mit einem Tableau, mit Power-Up-Karten, mit 20 Schadenstropfen – die Tropfenform lässt schon erahnen, die werden mal Blut anzeigen – und mit neun würfelförmigen Munitionsmarkern in drei Farben. Je eine Farbe wird auf das Tableau gelegt und ist damit verfügbar.

Der Spielplan lässt sich variabel aufbauen, zeigt 10 bis 12 Felder (je nach Aufbau), drei sogenannte Spawn-Punkte (das sind die Felder, an denen Totgeglaubte wieder auftauchen) und Felder mit Plättchen für den Munitions-Nachschub.

Die Felder bilden – je nach Aufbau – unterschiedlich große Räume, und die Raumaufteilung wird bei der Frage, wer wem Treffer verpassen kann, eine wichtige Rolle spielen.

Eigentlich ist das Spiel ganz einfach und lässt sich auf den Satz reduzieren: „Der coolste Teil ist doch, dass man echt dicke Wummen abfeuern darf.“ Irgendwie gibt es auch Siegpunkte und ein Spielziel. Aber wenn erst einmal die Ballerei losgeht, dann versuchen allenfalls versierte Taktiker noch ein paar Überlegungen anzustellen. Gerade jüngere, männliche Mitspieler halten einfach drauf. Ich weiß, das sind Vorurteile, die sich gelegentlich bestätigt haben. Und auch die Mädels halten gerne mal drauf.

So, jetzt müssen wir doch ein paar Regeln erklären. Die sind als Piktogramme auf jedem Tableau notiert und besagen, dass jeder in seinem Zug zwei von drei Aktionen in beliebiger Kombination durchführen darf: drei Schritte laufen, einen Schritt laufen und dann was aufheben (neue Munition, eine neue Waffe), oder man kann stehen bleiben und ballern. Dabei verpasst man Mitspielern Schadenspunkte, die sorgfältig auf deren Tableau platziert werden. So ganz traurig sind die gar nicht, denn ab dem dritten Schadenspunkt laufen sie mit dem Stresshormon Adrenalin schneller, ab dem fünften noch schneller, sind allerdings beim elften Schadenspunkt tot. Auch das stört nicht weiter, denn sofort steht jeder Totgeglaubte wieder auf der Matte, auf einem der drei Spawn-Punkte. Welchen, kann er bedingt selbst bestimmen.

Dann werden die Killer mit Siegpunkten belohnt: Der mit dem ersten Schuss bekommt schon mal einen Punkt, der mit der Mehrheit acht, der nächste sechs usw. Wer den Todesschuss gesetzt hat, darf auf der stimmungsvollen Leiste mit den Totenschädeln einen durch einen eigenen Marker ersetzen – ergibt am Ende Punkte für die Mehrheit. Der Totenschädel verdeckt dann den Platz mit der höchsten Punktzahl auf dem Tableau des Opfers. Beim nächsten Kill sind also weniger Punkte zu holen. Daher wendet man sich gerne einem frischen Opfer zu.

Gelegentlich kommt es zu einem Overkill, also mehr Schadensmarker als die notwendigen elf treffen das Opfer. Jener zwölfte bewirkt Rachegelüste beim Opfer. Das nimmt zwar sein Ableben in Kauf, gibt aber dem übereifrigen Schützen eine Markierung aus dem eigenen Marker-Vorrat und hat ihn damit gezeichnet. Sobald dieses wieder erstandene Opfer seinen Todesschützen erwischt, wandert der Markierungsmarker in die Schadensleiste.

Das alles ist noch relativ einfach zu begreifen. Jetzt müssen wir endlich mal einen Blick auf die 21 Waffen werfen, von denen immer neun zu Beginn des Spielzuges bereit liegen und aufgesammelt werden können. Und hier hatten meine Mitspieler zum Teil erhebliche Probleme. Verschiedene Waffen haben verschiedene Voraussetzungen, um Schaden anzurichten. Acht Mal treffen die Waffen Ziele (es sind die Figuren der lieben Mitspieler), die der Schütze (also die eigene Plastikfigur) sehen kann, ohne weitere Bedingungen. Dazu muss noch der Begriff „ich sehe dich“, kurz erklärt werden. Alle Figuren im gleichen Raum sieht man und alle im Nachbarraum, sofern man gerade auf dem Feld vor der Tür steht.

Nett ist es, einen einsehbaren anderen Raum in eine Brennkammer zu verwandeln und allen darin befindlichen Figuren einen Schaden zu verpassen. Manchmal sind die Treffer von bestimmten Entfernungen abhängig, also gleiches Feld oder ein oder zwei Bewegungen entfernt. Der Wärmesucher schädigt einen nicht sichtbaren Mitspieler, die Railgun durchschlägt Wände. Die Ikonografie muss man erst mal verstehen, um ohne pausenloses Nachschlagen in der Waffenübersicht sinnvoll und regelkonform rumballern zu können. Und damit ist es nicht genug. Viele Waffen haben einen alternativen Schussmodus, der je nach Raumbelegung sinnvoll eingesetzt werden kann. Und manche haben einen Zusatzmodus, der durch Abgabe eines Munitionswürfels der geforderten Farbe zusätzliche Schäden verursacht. Manchmal kann man vor oder nach dem Schuss eine Figur bewegen und manchmal gibt es zusätzliche Markierungen. Die werden, wie oben erklärt, beim nächsten Treffer aktiv. Nach mindestens einem Spiel waren die meisten einigermaßen mit den Waffen vertraut. Aber beim ersten Spiel begann jeder hektisch in dem gesonderten Waffenblatt zu suchen, was eine Waffe kann. Das minderte den Spielspaß erheblich. Es empfiehlt sich, das Waffenblatt farbig zu kopieren und den Spielern auszuhändigen, sonst kommt zum Nachschlagen auch laufend der verzweifelte Ruf nach der Spielregel hinzu, die mal wieder jemand bei sich gebunkert hat.

Alle weiteren Regeln sind gerade für Spielerfahrene kein Problem mehr. Neue Munition gibt es in den Räumen durch die zufällig ausliegenden Munitionsplättchen. Manchmal sind so genannte Power-Up-Karten dabei, durch die man einmalig einen von vier verschiedenen Zusatzeffekten einsetzen kann. Sie können auch als Munition für die Waffen herhalten, und sie bestimmen gegebenenfalls durch ihre Farbe den Spawn-Punkt. Nachgeladen wird immer am Ende des Zuges.

Es ist enorm wichtig, immer genügend Munition zur Verfügung zu haben, und das auch noch in der richtigen Farbe. Mehr als drei Munitionswürfel pro Farbe stehen allerdings nie zur Verfügung, wenn man mal von den Power-Up-Karten absieht. Auch deren Zahl ist limitiert, mehr als drei dürfen nicht im Besitz eines Spielers sein. Daher kann keiner sich erst mal mit Munition richtig aufpumpen und dann ballern, was seine Waffen hergeben.

Und dann kann man einige Überlegungen anstellen, auf wen es sich lohnt zu schießen – oder schlagen oder schneiden oder brennen, das macht technisch keinen Unterschied. Die Bewegung muss geplant werden, zu den passenden Munitionswürfeln und den passenden Zielen. Eventuell lohnt es sich auch, eine abgefeuerte Waffenkarte wegzuwerfen – auch hier ist drei das Limit für jeden Spieler – und eine neue aufzusammeln. Die kommt nämlich schon geladen in die Hand und manche verursachen beim ersten Einsatz nicht mal weitere Kosten – also Abgabe von Munitionswürfeln. Ein bisschen Unwägbarkeit bringen die Power-Up-Karten ins Spiel, da sie Zusatzbewegungen, Zusatzschäden oder Zusatzmarkierungen erlauben.

So sehen sich die Spieler mit Regeldetails konfrontiert, die das Ganze komplizierter machen, als es einem Spiel dieses Genres gut tut. Andererseits dienen viele Details dazu, möglichen Ungerechtigkeiten, auch Glück genannt, die Spitze zu nehmen.

Geht die Ballerei erst mal los, vergessen einige das blutrünstige Thema und zucken nicht mal mehr beim Vorschlaghammer oder bei der Elektrosense zusammen. Und eigentlich könnte man den Spielmechanismus auch an friedliche Themen adaptieren, so was wie „wir füttern Tiere“. Wer den ersten Happen verteilt, den lieben sie am meisten. Aber, sind wir mal ehrlich, selbst friedliche Menschen lassen doch gerne mal die Sau raus. Bei Adrenalin wird das sogar noch mit Siegpunkten belohnt. Die Spielregel hat zwar ein paar tückische Details, ist aber nach bewährter Manier des Verlages witzig gestaltet und gut zu lesen. Bleibt also das Urteil, das zwiespältig ausfällt. Beim ersten Spiel ist Adrenalin in meinen Testrunden fast immer durchgefallen. Wer sich aber auf weitere Spiele einließ, der fand es überraschend witzig und entdeckte immer neue taktische Möglichkeiten.

Rezension Lotte Schüler

In Kooperation mit der Spielezeitschrift

Spielerei

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Adrenalin / Adrenaline: 5,0 5,0, 4 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 19.11.17 von Lotte Schüler
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 07.01.18 von Michael Andersch - Witziger und alberner Ballerspaß. Die Anleitung ist gewohnt witzig geschrieben, die Symbole auf den Waffen sind im Grunde auch ganz ok und in sich stimmig, deren Vielzahl ist aber am Anfang schon etwas "bremsend" (wenngleich natürlich die Vielzahl der Waffen auch zum Spielreiz beiträgt). Zu dritt ok, besser aber zu viert oder fünft (auch, weil so manche Waffe auf eine größere Gegnerzahl ausgerichtet ist).

Leserbewertungen

Leserwertung Adrenalin / Adrenaline: 4,4 4.4, 7 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 15.10.16 von Timo Hollenbach - Es sieht super aus, tolles Flair und macht riesig Spaß. Nicht lange grübeln, einfach drauf los spielen bzw. schießen. Sehr gute Umsetzung eines Ego-Shooters als Brettspiel. Allerdings anders als oben angegeben für 3-5 Spieler.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.10.16 von Markus Bach - Mit mindestens vier schießwütigen Spielern ein großer Spaß, der Frag weit hinter sich läßt.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.10.16 von M. Güthler
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 28.12.16 von Dario - Wumm! Bumm! Bämm! Und hinterher noch den ganzen Raum in Brand gesetzt, nachdem man durch seinen Newtoneffekt auch noch den letzten Spieler in diesen gezwungen hat. Adrenalin ist ein spaßiges Ballerspiel, bei dem man auch mal durch Wände schießt obwohl man es gar nicht benötigt. Einfach nur weil man es kann, und so schön damit angeben kann. Und auch wenn es einem spieltechnisch betrachtet nicht wirklich weh tut, wenn man getötet wird, nimmt man jeden Schuss doch irgendwie persönlich. Wer am Ende siegt, ist dabei gar nicht mal so offensichtlich, und ein erster Eindruck spricht dann doch dafür, dass selten sterben eher von Vorteil ist. Es ist natürlich kein strategischer Überflieger, der Spaß steht eindeutig im Vordergrund. Dennoch sollte jeder Zug wohl überlegt sein, denn ein paar taktische Entscheidungen gilt es dann doch zu beachten. Wer einfache Konfliktspiele mag, kann bei Adrenalin durchaus seinen Spaß finden. Um eine gute Spielbarkeit zu gewährleisten, sollte man aber die Waffenübersicht für jeden Spieler einmal kopieren. Eine gute 4 an der Grenze zur 5.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 15.05.17 von Hans Huehnchen - Für einen No-Brainer erstaunlich anfällig für Grübeleien. Komplizierte Waffeneffekte bremsen die Spielgeschwindigkeit. Und wenn das Spiel langsam wird, wird es auch langweilig. Nach ein paar Partien sollte sich zumindest das ständige Nachschlagen in der Waffenübersicht legen, trotzdem fühlt sich Adrenalin nicht so an, als würde es sein volles Potential ausschöpfen. Schade.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.08.17 von SpielerB - Zu 5. ein Ballerspaß! Zu 3. eher lahm. Das Spielmaterial ist super, die Anleitung CGE gewohnt witzig gehalten. Spontan fallen mir viele, viele fehlende Kleinigkeiten ein, die das Spiel etwas Abwechslungsreicher gemacht hätten (wo sind die Schilde, Rüstungen, Health-Packs... trickreichere Fallen? und und und). ... Update, nach ein paar wenigen weiteren Spielen wird es mir doch zu Eintönig: Waffe nehmen & schießen und von vorne... nur noch eine 3....
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 27.11.17 von Braz - Mir war es auf Dauer auch zu wenig für das Gebotene. Ich spiele es zwar gerne mit, aber ich muss es nicht in meiner Sammlung haben.

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