Rezension/Kritik - Online seit 17.02.2016. Dieser Artikel wurde 7531 mal aufgerufen.

Epic

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Autor: Robert Dougherty
Darwin Kastle
Verlag: White Wizard Games
Rezension: Henning Knoff
Spieler: 2 - 4
Dauer: 20 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2015
Bewertung: 5,0 5,0 H@LL9000
3,0 3,0 Leser
Ranking: Platz 3275
Epic

Spielziel

In einem Fantasy-Land sind die Götter richtig sauer aufeinander. Um sich zu bekriegen, beschwören sie dicke Dinosaurier, mysteriöse Magier, diabolische Dämonen, erhabene Engel und vieles mehr, um mit ihrer Hilfe und Zaubersprüchen wie Feuerbällen den Gegner in die Knie zu zwingen. Wer den Gegner zuerst von 30 auf 0 Lebenspunkte reduziert hat, ist Sieger.
Ein Fantasy-Kartenspiel für 2 (oder mehr) Spieler.

Ablauf

Epic besteht aus 120 verschiedenen Karten, die einer von vier verschiedenen Fraktionen (Gut, Böse, Weise, Wild) angehören. Es gibt zwei Kartentypen: Champions, die für die Spieler angreifen und verteidigen können, und Ereignisse, die nach einmaligem Effekt auf den Ablagestapel gelegt werden. Zunächst wird ein Deck aus 30 Karten zusammengestellt. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man kann einfach alle Karten einer Farbe zusammenlegen, 30 Karten zufällig verteilen oder eine von diversen Draft-Varianten bemühen.

Die Decks werden gemischt, und beide Spieler ziehen 5 Karten. Karten, die einem nicht gefallen, kann man unter das eigene Deck legen und wieder auf 5 Karten auffüllen. Für jede so getauschte Karte verliert man einen Lebenspunkt.
Die Spieler sind abwechselnd am Zug. Wer dran ist, zieht zu Beginn seines Zuges eine Karte und macht alle Champions spielbereit (dreht sie in aufrechte Position). Danach darf er Karten ausspielen und mit seinen Champions angreifen. Pro Zug erhalten beide Spieler genau eine Ressource, alle Karten kosten entweder 0 oder 1.
Champions, die gerade erst beschworen wurden, dürfen noch nicht angreifen, sondern müssen eine Runde warten. Greift man mit einem oder mehreren Champions an, dreht man sie um 90°. Der verteidigende Spieler darf nun seinerseits Champions mit der Fähigkeit „Ambush“ oder Events spielen und danach ggf. blocken. Nur aufrechte Champions dürfen blocken, sie werden dann um 180° gedreht. Dann werden die Angriffs- und Verteidigungswerte überkreuz miteinander verglichen. Erleidet ein Champion mindestens soviel Schaden, wie sein Verteidigungswert beträgt, wird er auf den Ablagestapel gelegt.
Es dürfen auch mehrere Champions gleichzeitig angreifen oder verteidigen. In diesem Fall werden ihre Angriffswerte addiert, somit können auch zwei schwächere Champions einen dicken Brocken ausschalten.

Nach dem Kampf darf der aktive Spieler erneut Karten spielen und erneut angreifen. Wenn er nichts mehr tun möchte, erhält der Gegner noch einmal die Gelegenheit, Karten zu spielen. Erst, wenn beide passen, geht das Spiel in die nächste Runde.

Natürlich haben die Champions noch unzählige weitere Fähigkeiten: Solche mit „Airborne“ fliegen über Fußgänger hinweg und können nur von anderen „Airborne“-Champions geblockt werden; die Fähigkeit „Blitz“ erlaubt es, schon in der Runde anzugreifen, in der der Champion ins Spiel kommt; „Ambush“-Champions dürfen auch im Zug des Gegners gespielt werden usw. Manche Champions ziehen auch Karten, wenn sie ins Spiel kommen, oder schicken gegnerische Champions auf den Ablagestapel oder unter das gegnerische Deck.
Bei den Events findet man viele Karten, die einen oder sogar alle Champions töten. Ebenso können Champions auf die Hand ihres Besitzers zurückgeschickt werden, Karten gezogen werden, oder man darf Champions aus seinem Ablagestapel wiederbeleben.
Alle vier Fraktionen konzentrieren sich außerdem auf bestimmte Aspekte. So gibt es bei den guten Karten viele fliegende Champions, und man kann Lebenspunkte dazu erhalten. Die wilden Karten zeichnen sich durch Direktschaden und besonders dicke Champions aus. Die bösen Karten beschäftigen sich vor allem mit dem Tod, entweder, indem man gegnerische Champions direkt umbringt oder die eigenen wiederbelebt. Die blauen Karten schließlich ziehen Karten oder schicken gegnerische Champions zurück auf die Hand ihrer Besitzer. Viele Karten werden stärker, wenn man weitere Karten derselben Fraktion spielt.

Fazit

Wer schon einmal Magic: the Gathering gespielt hat, der wird sich bei Epic sofort heimisch fühlen: Das Spielgefühl erinnert mit seinen Beschwörungen mächtiger Einheiten, deren Kampf untereinander und den vielfältigen Effekten bei Zaubersprüchen sehr an das berühmte Sammelkartenspiel, selbst die einzelnen Fraktionen und ihre Schwerpunkte scheinen an die Farben in Magic angelehnt; mehr dazu weiter unten.

Wer mit Sammelkartenspielen nichts am Hut hat, wird sich mit dem Einstieg schwer tun. Das dünne Regelheftchen ist ziemlich vage gehalten und scheint davon auszugehen, dass grundlegende Mechanismen wie der Spielzugablauf oder die Schadensverrechnung im Kampf mit einer knappen Ein-Satz-Erklärung erschöpfend behandelt seien. Zusätzliche Beispiele wären sehr hilfreich gewesen.
Hat man die grundlegende Spielstruktur verstanden, muss man immer noch mit 120 verschiedenen Karten klarkommen, die allesamt zusätzliche Regeltexte haben. Grundlegende Karten ohne besondere Fähigkeiten gibt es praktisch keine. Im besten Fall hat eine Karte „nur“ ein oder zwei Schlüsselwörter, die auch erst mal gelernt werden möchten; im schlimmsten Fall muss man einen ganzen Absatz (englischen) Text lesen, der die grundsätzlichen Regeln des Spiels aushebelt. Es kann auch unübersichtlich werden, alle Synergien und Interaktionen der eigenen Karten im Blick zu behalten. Da kann eine Partie am Anfang gut und gerne 45-60 Minuten dauern, mit erfahrenen Spielern verkürzt sich die Spieldauer auf 10-20 Minuten.

Wer die Regeln beherrscht und ins Spiel hineingefunden hat, erlebt mit Epic ein besonderes Spielgefühl. Es unterscheidet sich vor allem in zwei Aspekten von ähnlichen Spielen:
1. Die Spielstärke praktisch aller Karten ist sehr hoch.
2. Das Ressourcensystem ist extrem einfach und es erlaubt, Decks sehr frei zu bauen oder sogar zufällig zu verteilen.

Es gibt keinen gemächlichen Aufbau, kein Abtasten mit den ersten kleinen Einheiten, kein Aufsparen der Ressourcen für den mächtigen Superzauber. Vom ersten Moment an werfen die Spieler mit riesigen Drachen oder ganzen Horden von Zombies um sich, oder sie beantworten diese Bedrohungen mit Massenvernichtungszaubern. Es geht sofort mit scheinbar absurd mächtigen Karten, die unbeantwortet das Spiel blitzschnell beenden können, in die Vollen.
Dadurch kann zunächst der Eindruck entstehen, dass Epic sehr glückslastig sei, falls ein Spieler keine sofortige Antwort auf das gegnerische Riesenmonster hat. Schnell stellt man jedoch fest, dass das Spiel hochgradig taktisch ist und ein erfahrener Spieler selbst mit zufällig zugelosten Decks einen sehr großen Vorteil gegen einen Neuling hat. Da man jede Karte vom ersten Zug an spielen kann, entscheidet das richtige Timing oft über Sieg und Niederlage. Jeden Zug hat man verschiedene Optionen und muss sorgfältig abwägen, welche Karte man jetzt spielt und welche man sich für eine günstigere Gelegenheit aufspart.
Langfristige strategische Planung findet in Epic allerdings kaum statt. Zu mächtig sind die Karten, zu sehr schwappt das Gleichgewicht von Zug zu Zug hin und her. Ständig muss man die Situation neu bewerten und auf das Geschehen reagieren. Oft dreht sich Epic darum, wer im Laufe der Partie mehr kleine Vorteile ergattern kann und dadurch dafür sorgt, dass dem Gegner zuerst die Handkarten ausgehen, während man selbst noch Bedrohungen auf der Hand hält.

Der folgende Absatz richtet sich vor allem an Magic-Spieler: Epic ähnelt Magic stark, es gibt aber einige entscheidende Unterschiede. In Magic verliert man öfters ein Spiel, weil man zu wenige oder zu viele Länder zieht, dieses Phänomen gibt es in Epic mit seinem „Eine Ressource pro Runde“-System nicht. Auch sind die Regeln in Epic einfacher, man kann z. B. nicht auf die Aktionen des Gegners reagieren (es gibt daher z. B. auch keine Neutralisierungszauber). Langfristige Planung ist schwerer möglich, und die Decks sind insgesamt ähnlicher. Last but not least ist Epic kein Sammelkartenspiel, sondern kommt als komplettes Spiel in einer kleinen Deckbox daher.

Wer einige Partien hinter sich hat, sollte einen Draft ausprobieren, um das eigene Deck vor dem Spiel zusammenzustellen. Hier kommen einem Kartenkenntnis und das Erkennen von Synergien zugute, und das Draften kann fast genauso viel Spaß machen wie das Spiel selbst. Die Anleitung gibt dazu mehrere Möglichkeiten vor.
Wer drei Sets des Spiels kauft, kann sich auch an Constructed-Decks mit mindestens 60 Karten versuchen, in denen von jeder Karte bis zu drei Exemplare gespielt werden dürfen. White Wizard Games hat für mehrere Formate Turniere angekündigt, ob Epic aber erfolgreich genug ist, dass diese in großem Maße stattfinden, steht in den Sternen. Gerade in Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit für Turniere gering, denn Stand November 2015 ist noch keine offizielle deutsche Version des Spiels angekündigt.

Epic bietet diverse Varianten an, um zu dritt oder zu viert zu spielen (z. B. auch 2 gegen 2), allerdings wird die Spieldauer dann sehr lang. Ich bevorzuge es auf jeden Fall zu zweit.

Besonders hervorzuheben ist die kleine Packung, in der Epic sich präsentiert. Wie bei Star Realms vom selben Hersteller ist sie lediglich so groß wie eine Deckbox für Sammelkarten, und auch der Preis ist sehr niedrig angesetzt. Allerdings beinhaltet die Box nicht alles, was man braucht: Karten oder Würfel zum Anzeigen der Lebenspunkte gibt es ebenso wenig wie Marker zum Anzeigen, ob man seine Ressource für den aktuellen Zug schon verbraucht hat oder nicht. Hier muss man mit Würfeln oder Zettel und Stift improvisieren.
Viele Karten bringen außerdem sogenannte „Tokens“ ins Spiel, Objekte, die ähnlich wie Karten behandelt werden. Es werden mehrere Token-Karten mitgeliefert, aber man kommt schnell in Situationen, in denen man mehr Tokens bräuchte. Wer dafür keine Würfel, Münzen, Glassteine oder ähnliches nutzen möchte, kann auf der Homepage des Verlages eine Vorlage herunterladen und sich selbst weitere Token-Karten ausdrucken.

Abschließend möchte ich auf die interessante Frage eingehen, wer die richtige Zielgruppe für Epic ist. Wer nur ein schnelles Kartenspiel für zwischendurch sucht, bei dem man einfach loszocken kann, ist bei Epic an der falschen Adresse. Der Einstieg ist fordernd und wird durch die suboptimale Regel noch verkompliziert. Jede Karte hat zusätzlichen Regeltext, und es kann unübersichtlich werden, alle Interaktionen zwischen den Karten im Blick zu behalten.
Epic liefert ein Spielerlebnis wie ein Sammelkartenspiel, ohne dessen laufende Kosten zu haben. Mit nur einem Set kann man mit bis zu vier Spielern draften oder auch Decks bauen, und selbst das Spiel mit zufälligen Decks funktioniert tadellos, wenngleich die Spielbalance dann natürlich nicht immer optimal ist. Ideal ist Epic daher für alle Spieler, die sich für Sammelkartenspiele interessieren, aber das volle Spielerlebnis genießen möchten, ohne dafür dreistellige Beträge ausgeben zu müssen. Bei Magic- und Hearthstone-Spielern in meinem Freundeskreis ist es jedenfalls hervorragend angekommen.

Rezension Henning Knoff

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Epic: 5,0 5,0, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 10.11.15 von Henning Knoff - Der ganze Spaß von Magic in einer kleinen Box, mit einem ebenso einfachen wie cleveren Rohstoffmechanismus. Regeln nicht optimal geschrieben. Großartige Artworks. Viel Tiefgang, enorm viele Möglichkeiten. Absolut top!
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 07.03.16 von Andreas Odendahl - Meine Meinung basiert auf einer Partie. Ist also mehr als Eindruck zu verstehen. Der Einstieg ist wirklich nicht einfach, da viele Code-Wörter und ihr Effekt zu erlernen sind. Dahinter verbirgt sich ein feines Kartenduell im Magic-Stil. Nicht von Ungefähr: Die Autoren sind Magic-Pro-Tour-Spieler. Schön finde ich das System hinter dem Spiel, welches eben nicht verlangt hunderte von Karten einzeln zu kaufen. Hier werden sinnvolle Sets angeboten und das soll wohl auch noch erweitert werden. Erinnert konzeptionell ein wenig an Blue Moon oder Living Card Games... Meine Spielreizbewertung sollte so verstanden werden, dass ich absolut kein Magic-Spieler bin. Aber dies hier ist gar nicht mal so verkehrt...

Leserbewertungen

Leserwertung Epic: 3,0 3.0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 12.11.15 von SpielerB - Zuerst: großartiges Artwork & knackige Spielzeit. Hatte ein locker-flockiges Spiel wie bei dem "Vorgänger" Star Realms erwartet. Das ist aber leider nicht der Fall. Viele gewöhnungsbedürftige Spezialregeln lassen ausgefeilte Taktiken zu. Fand ich schon bei Star Realms die Zählkarten nicht optimal, wurden sie in Epic weggelassen und gleichzeit benötigt man deutlich mehr - man muss also vor dem Spiel erstmal geeignetes Zählmaterial / Stift und Papier auftreiben. Epic ist eine epische Schlacht: sehr schnell kommen gigantische Kreaturen ins Spiel - meist vergesse ich dabei, dass diese aber meist schon durch einfachste Soldaten erfolgreich geblockt werden können. Das Spiel kann sicherlich Spass machen, wenn man bereit ist sich einzuarbeiten - aktuell ist meine Motivation dazu noch nicht zuuu hoch. Mal abwarten ob ich mit Epic noch warm werde...

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