Spielziel
Im deutschen Mittelalter des 14. und 15. Jahrhunderts wurde der Kaiser durch die Kurfürsten gewählt. Diese hatten aber durchaus ihre eigenen Interessen im Blick und waren mehr auf ihr Prestige und ihren Besitz bedacht als um das Wohl der Nation. Bei "Im Schatten des Kaisers" versuchen die Spieler, möglichst viele Kurfürsten zu stellen, um bei der Wahl zum Kaiser Einfluss zu nehmen oder gar selbst den Thron zu besteigen.
Ablauf
Jeder Spieler repräsentiert eine Adligen-Familie, die mit bis zu sieben Baronen und drei Rittern in sieben Kurfürstentümern ihren Einfluss geltend machen. Drei der Kurfürstentümer sind gleichzeitig Bistümer, die nur zölibatäre Barone als Kurfürsten akzeptieren. Die anderen vier Kurfürstentümer können auch von verheirateten Baronen beherrscht werden. Der Startspieler stellt zuerst mit einem seiner Barone den Kaiser.
Kern des Spiels ist die Aktionsrunde, bei der die Spieler ihre Familien in den Kurfürstentümern aktiv werden lassen können: Im ersten Durchgang stehen allen Spielern dazu 7 Punkte zur Verfügung - für die späteren Runden können sie dieses Einkommen durch das Gründen von Städten erhöhen. In mehreren Runden dürfen die Spieler reihum jeweils eine Aktion durchführen, bis alle gepasst haben. Diese Aktionen können neue Barone (ledig oder bereits verheiratet) ins Spiel bringen, oder diese von einem Kurfürstentum in ein anderes umziehen lassen, Zusatzstimmen für die Kaiserwahl kaufen, einen Medicus zum Verjüngen eigener oder Altern fremder Barone einstellen, eine Stadtgründung durchführen, einen Ritter ein- oder umsetzen etc. Die Kosten für diese Aktionen unterscheiden sich und liegen zwischen 1 und 5 Punkten. Von jeder möglichen Aktion gibt es jedoch nur eine bis drei Karten, die der ausführende Spieler vor sich ablegt, so dass eine Aktion, von der keine Karten mehr verfügbar sind, nicht mehr ausgeführt werden kann. Eine kostenlose Aktion ist die des Gegenkaisers, die ein Spieler als letzte seiner Aktionen in dieser Runde zu sich nehmen darf. Er wird sich später bei der Kaiserwahl dem Amtsinhaber stellen und versuchen, diesen abzulösen.
Nach der Aktionsrunde beginnen die Machtwechsel: Zunächst werden die Kurfürstentümer überprüft. Jeder Baron, jeder Ritter und jede Stadt eines Spielers ist 1 Einflusspunkt wert - verheiratete Barone bringen noch den Einfluss der Frau mit und haben somit doppelten Einfluss. Der Spieler mit dem höchsten Einfluss wird neuer Kurfürst. Bei Gleichstand entscheidet der Kaiser. Falls es einen Machtwechsel im Kurfürstentum gegeben hat, erhält der Spieler des neuen Herrschers 2 Siegpunkte. Jedes Kurfürstentum erlaubt dem amtierenden Herrscher einmal pro Runde ein Privileg, das für jedes der Länder unterschiedlich ist.
Nun kommt es zur Kaiserwahl, bei der jeder Kurfürst eine Stimme hat - entweder für den Kaiser oder für den Gegenkaiser. Die Spieler ohne eigenen Kandidaten müssen sich für einen der beiden Kandidaten entscheiden und erhalten einen Siegpunkt, falls dieser die Wahl gewinnt. Sobald der neue Kaiser in Amt und Würden ist, erhält er eine Belohnung, die je nach Rundenzahl in Siegpunkten, zusätzlichem Einkommen, und dem Ein- oder Versetzen von Reichsstädten (die immer dem amtierenden Kaiser zu mehr Einfluss in einem Kurfürstentum verhelfen) bestehen kann.
Bevor es mit der nächsten Aktionsrunde losgehen kann, erhalten die Spieler ihr Einkommen (= Aktionspunkte). Alle Barone der Spieler altern um eine Stufe, wobei die Barone, die vor dem Altern schon auf der höchsten Altersstufe (übrigens 45 Jahre) angelangt waren, segnet das Zeitliche und ihr Marker wandert zurück zum Spieler. Zuletzt erhält jeder Spieler Nachwuchs. Hier ist nun relevant, welche Aktionen der Spieler in der zurückliegenden Aktionsrunde durchgeführt hat, denn jede Aktion erhöht die Wahrscheinlichkeit für eines der Geschlechter: Hat der Spieler mehr blaue Aktionskarten vor sich liegen, bekommt er einen Jungen, den er auf ein freies Feld in einem Kurfürstentum einsetzen darf. Hat er mehr rosafarbene Karten, ist es eine Tochter, die er einem fremden Baron zwecks Ehelichung anbieten kann - für diesen erhöht sich dann der Einfluss seines frisch verheirateten Barons in dessen Kurfürstentum. Für die Brautfamilie gibt es dann einen Siegpunkt. Konnte das Mädchen nicht verheiratet werden, kommt sie ins Kloster, was sich für den Spieler in barer Münze (Erhöhung des Einkommens) auszahlt.
Auf diese Weise werden 5 Runden gespielt. Nachdem in der 5. Runde der Kaiser seine Belohnung erhalten hat, endet das Spiel und der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt.
Fazit
"Im Schatten des Kaisers" ist ein recht komplexes Spiel, bei dem den Spielern durch die Vielzahl der möglichen Aktionen, und auch der Sonderaktionen der Kurfürstentümer eine Fülle an Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Hinzu kommen die verschiedenen Stellen, an denen Siegpunkte gewonnen werden können: Ablösung des Kurfürsten, Amt des Kaisers, Beitrag von Stimmen für den neuen Amtsinhaber bei der Kaiserwahl, Städtegründung, Verheiratung eigener Töchter an fremde Barone, Ablasskauf (in der Aktionsrunde). Der Einstieg erfordert also ein detailliertes Regelstudium, bei dem die Spielregel auch mal die eine oder andere offene Frage lässt. Der Verlag Hans im Glück hat hier bereits reagiert und eine FAQ bereitgestellt (siehe unten "Interessante Links").
Das Spielmaterial ist solide, wenngleich die Grafik durch die recht bunten Farben eher comic-haft wirkt, obwohl die Motive wohl eher mittelalterlich geprägt sein sollen. Die gewählte Symbolik ist aber durchgehend gut verständlich, so dass die Spielregel nur zu Beginn ab und zu herangezogen werden muss, um die Bedeutung einer Aktionskarte oder der Sonderaktion eines Kurfürsten nachzuschlagen.
Das Spiel selbst bietet einige sehr interessante Mechanismen: Durch das Altern der Barone verändern sich die Einflussgebiete immer wieder und lässt einen Kurfürstenplatz auch mal während einer Aktionsrunde leer, während sich im Kurfürstentum die ambitionierten Nachfolger um den höchsten Einfluss bemühen.
Auch die Beschränkung der verschiedenen Aktionen ist sehr reizvoll, da sich hier die Planung auch nach der Verfügbarkeit richten muss: Ist die Aktion noch verfügbar, wenn ich noch eine Runde warte und erst etwas anderes mache? Ausser der generell verfügbaren Aktion zum Um- oder Einsetzen der Ritter gibt es jede andere Aktion nie so oft, dass alle Spieler sie ausführen könnten. Andererseits möchte man besonders die Aktionen, die den eigenen Einfluss verändern, möglichst spät spielen, um auf Aktionen der Mitspieler reagieren zu können und damit auch zu verhindern, dass man Aktionspunkte ausgibt, die dann doch keine siegpunktbringende Mehrheit herstellen - damit ergibt sich ein interessanter Konflikt, dessen Lösung eine geschickte Planung erfordert.
Den Überblick über die Mehrheitsverhältnisse zu behalten, erfordert eine recht hohe Konzentration und kann zu längeren Grübelphasen führen. Da es keinerlei Glückselement gibt, das man für unangenehme Wendungen verantwortlich machen könnte, sollte eine angemessene Bedenkzeit jedoch toleriert werden.
Etwas problematisch gestaltet sich die Kaiserwahl, die praktisch in jeder Runde stattfindet - meist wird die Aktion "Gegenkaiser" vom ersten Spieler genommen, der die Durchführung seiner Aktionen beendet. Da bei drei Spielern dann nur ein Spieler vor der Entscheidung steht, wen er unterstützen soll (und damit auf jeden Fall einen Siegpunkt für die Unterstützung erhält), und bei zwei Spielern dieses Element völlig wegfällt, ist die Kaiserwahl nur in der vollen Besetzung mit vier Spielern richtig spannend.
Durch die Ausübung des Kaiseramtes steht dem entsprechenden Spieler der Baron, der auf dem Thron sitzt, nicht mehr für die Ausübung von Einfluss in den Kurfürstentümern zur Verfügung. Sein Kontingent an Einflusspunkten wird jedoch durch die Reichsstädte erhöht, so dass ab der dritten Runde (wenn nämlich 3 Reichsstädte auf dem Spielplan sind) der Kaiser sogar in Summe einen Einflusspunkt mehr ins Spiel bringen kann als seine Mitspieler. Zusammen mit der Macht, bei einem Gleichstand die Entscheidung treffen zu können, hat der Kaiser eine durchaus mächtige Position. Im Spiel zu dritt und zu viert führt dies naheliegenderweise meist dazu, dass der nach aktuellem Siegpunktestand schwächere Spieler zum Kaiser gewählt wird - historisch gesehen ist dies auch passend, da die Kurfürsten lieber einen schwachen Kaiser wählten, um daheim unbehelligt ihre eigenen Interessen verfolgen zu können.
Bei zwei Spielern tritt damit jedoch ein starkes Ungleichgewicht auf: So kann es in der ersten Runde vielleicht noch zu einem Wechsel auf dem Kaiserthron kommen. Spätestens sobald alle Reichsstädte auf dem Plan sind, kann der Gegenkaiser aber kaum mehr mit einem Erfolg rechnen, da der Kaiser meist eine überwältigende Mehrheit der Kurfürstentümer besitzt. Dies ist für den chancenlosen Gegenkaiser sehr frustrierend. Für das Spiel zu zweit kann ich "Im Schatten des Kaisers" damit nicht empfehlen.
Zu dritt, mehr noch zu viert, ist "Im Schatten des Kaisers" jedoch ein spannendes Spiel um Mehrheiten, das durch die Vielzahl der möglichen Kombinationen aus Aktionen der Karten und der Kurfürstentümer Stoff für zahlreiche Partien bietet, bei denen der Ausgang meist sehr knapp ist, so dass man ständig aufpassen muss, keine Chance zur Realisierung von Siegpunkten auszulassen.
Rezension Kathrin Nos
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Links
Der Verlag Hans im Glück hat hier eine FAQ zusammengestellt. Ferner kann man auf der Verlags-Homepage einen Artikel über die historischen Hintergründe zu "Im Schatten des Kaisers" nachlesen.