Rezension/Kritik - Online seit 09.08.2014. Dieser Artikel wurde 2781 mal aufgerufen.
Direktlinks zu den Rezensionsblöcken |
|
|
Einem anderen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, seien es nun der Chef, Freunde oder auch die Familie, das ist nie besonders leicht. Glücklicherweise gibt es aber immer mal wieder Entwickler, die einem die Hemmschwelle etwas erleichtern, indem sie genau das in einen spielerischen, oft humorvollen Kontext verpacken. Therapy hatte es vor fast 30 Jahren vorgemacht, wie man das Einschätzen und Bewerten seiner Mitspieler auf eine spaßige Art und Weise umsetzt. Die nackte Wahrheit pickt sich nun diesen Teilaspekt des Klassikers heraus und macht daraus das alleinige Spielprinzip.
Jeder Mitspieler erhält dafür mehrere Karten, auf denen Charaktereigenschaften stehen, und teilt diese den anderen verdeckt zu. Nach dem Aufdecken müssen nun alle, wiederum verdeckt, entscheiden, welche Eigenart auf den Spieler am besten zutrifft. Anschließend wird verglichen: Punkte gibt es für jeden, der auf die am häufigsten gewählte Karte gesetzt hat. So geht es reihum, in einer abschließenden Runde treten die siegreichen Eigenschaften noch einmal gegeneinander an. Hier gibt es für das richtige Raten dann sogar die doppelte Punktzahl. Wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt.
Viele Regeln gibt es also nicht, schon ein Blick auf die äußerst dünne Anleitung verrät, dass hier Nichtspieler angesprochen werden sollen. Das Vorhaben geht auch auf, bei Die nackte Wahrheit können auch Leute einsteigen, die nie über Mensch ärgere Dich nicht oder Monopoly hinausgekommen sind. Eine Einschränkung gibt es jedoch: Wer empfindlich auf die Meinung anderer reagiert, der sollte besser einen Bogen um Die nackte Wahrheit machen. Nicht alle Eigenschaften sind fies, doch der Anteil an nett verpackten Beleidigungen ist doch auffallend hoch. Etwas Selbstironie und ein gutes Verhältnis zueinander vorausgesetzt, kann man hier aber immer wieder 1 - 2 Runden Spaß haben, wenn ohnehin mehrere Leute zusammensitzen, etwa auf einer Party oder zu Weihnachten.
Für einen richtigen Spieleabend haben die kanadischen Entwickler Marie-Pierre Gagné und Christian Lemay jedoch zu wenig Anreize geschaffen. Denn auch wenn man immer mal wieder in schallendes Gelächter ausbricht, vermisst man hier doch irgendwo den eigentlichen Spielanteil. Dass der hier reine Nebensache ist, sieht man auch an der nicht ganz durchdachten Anzahl von Punkteplättchen, die irgendwie nie ganz aufgeht und durch das ständige Tauschen gegen höherwertige den Spielfluss stört. Wer will, verzichtet daher gleich auf die Ermittlung eines Gewinners und konzentriert sich stattdessen auf die oft lustigen Beschreibungen – verpassen würde er dabei nicht viel.
Rezension Oliver Armknecht
In Kooperation mit der Spielezeitschrift
H@LL9000 Wertung Die nackte Wahrheit: 4,0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
20.07.14 von Oliver Armknecht |
Es sind noch keine Leserbewertungen abgegeben worden.