Rezension/Kritik - Online seit 23.12.2025. Dieser Artikel wurde 490 mal aufgerufen.
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„Ein Ring, sie zu knechten…“ – Herr der Ringe Fans wissen Bescheid: Frodo muss den Ring in den Schicksalsberg werfen, um ihn zu zerstören, denn andernfalls wird das Böse ihn nutzen, um die ganze Welt zu knechten. Aber auch Frodos Verbündete dürfen nicht untätig sein: Es gilt vielerlei Aufgaben zu erfüllen – beispielsweise die Furten des Arduin zu sichern oder in Minas Morgul einzudringen (was auch immer das sein mag bzw. warum auch immer man das tun muss... Ich bin kein HdR-Fan, habe es zwar mal gelesen, um überhaupt zu verstehen, warum man in diversen HdR-Spielen bestimmte Dinge tun muss, fand es aber elendiglich langatmig und langweilig und habe abgesehen von den Basics nahezu alles wieder vergessen).
Frodo, Sam und die Verbündeten, das sind wir, und wie immer spielen wir kooperativ gegen die dunklen Mächte (= das widerspenstige Pandemic-System), die versuchen, uns am Erreichen der Ziele zu hindern und Frodos Hoffnung auf 0 absinken zu lassen.
Wir gewinnen, sofern wir es schaffen, die vorab gezielt ausgesuchten oder zufällig ermittelten Ziele zu erfüllen und anschließend noch den Ring zu zerstören, bevor Frodo jegliche Hoffnung verliert.
Ich gehe davon aus, dass beim geneigten Leser vermutlich eine gewisse Kenntnis der Grundregeln und -prinzipien von Pandemie oder einem seiner mittlerweile zahlreichen Ableger vorhanden ist. Daher werde ich den Spielablauf zwar grob, aber nicht in allen Einzelheiten beschreiben.
Zunächst einmal schauen wir auf den Spielplan. Dieser hat mehrere verbundene Orte, die wir an fest vorgegebenen Plätzen zunächst mit gegnerischen Schattentruppen und Nazguls, an anderen Stellen wiederum mit uns freundlich gesonnenen Truppen bestücken.
Die zu erfüllenden Ziele werden ausgesucht, jeder von uns bekommt zwei Charaktere mit gewissen Sondereigenschaften sowie ein paar Regionskarten, und in die verbleibenden Regionskarten werden - ganz Pandemie-typisch und je nach gewünschtem Schwierigkeitsgrad - 4 bis 6 „Der Himmel verdüstert sich“-Karten eingemischt.
Dann geht’s los.
Reihum haben die Spieler 4+1 Aktionen und müssen danach damit leben, dass die dunklen Mächte ein bisschen was gegen uns tun. Dann ist der nächste Spieler dran.
Dass ich geschrieben habe „4+1“ war totale Absicht, denn im Gegensatz zu anderen Spielen der Reihe hat ja jeder Spieler nicht nur einen, sondern 2 Charaktere mit unterschiedlichen Sonderfähigkeiten, und mit einer Figur darf er bis zu 4 Aktionen machen, mit der anderen eine.
Was tun wir mir den Aktionen, wenn wir dran sind?
Im Grunde das, was wir auch aus anderen Spielen der Serie kennen. Wir reisen von Ort zu Ort, was manchmal Zusatzkosten verursacht, und - im Falle eines sich bewegenden Frodo - Saurons Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Dies ist nicht gut, denn dann muss Frodo würfeln, ob er entdeckt wird, was umso wahrscheinlicher ist, je mehr Nazgul sich in der gleichen Region aufhalten, und zum Verlust von Hoffnung führen kann.
Wir können Karten tauschen, wenn die beiden tauschenden Charaktere am gleichen Ort sind und die Karte zur Region zugehörig ist. Dies ist erforderlich, um manche Aufgaben zu erfüllen - insbesondere sollte Frodo mit vielen Ring-Karten und Tarnumhängen ausgestattet werden, da er diese nicht nur in der Endmission braucht, sondern auch dazu verwenden kann, das oben erwähnte Würfeln zu vermeiden oder zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
In einer Zuflucht (das sind spezielle Orte auf dem Plan, die anfangs „uns“ gehören) können wir auch Ortskarten abgeben, um das darauf angegebene Symbol (Ring, Tarnumhang,…) in einen gleichartigen Chip umzutauschen. Dies ist höchst sinnvoll, denn auch in diesem Ableger gibt es das Handkartenlimit von 7, und ein Umtausch in unbegrenzt erlaubte Chips entlastet die Kartenhand und erhöht unsere Aktionsmöglichkeiten.
Zudem können wir in Zufluchten neue eigene Truppen ausheben.
Und nicht zuletzt können wir die gegnerischen Schattenkrieger auch bekämpfen: Sind wir am gleichen Ort und haben hoffentlich ausreichend eigene Truppen dabei, dann wird mittels eines durchaus imposanten Würfelturms gewürfelt, und hoffentlich unter geringen eigenen Verlusten die Zahl der gegnerischen Schergen möglichst stark dezimiert.
Sofern wir dadurch eine gegnerische Burg leer räumen und noch ein paar Schwerter in Form von Karten oder Chips abgeben, dann dürfen wir diese Burg sogar in eine eigene Zuflucht umwandeln, was gleich doppelt gut ist: Zum einen entstehen dort keine neuen Schattenkrieger, und zum anderen schöpft Frodo dadurch sogar neue Hoffnung.
Hat man nun seine Aktionen erledigt, dann zieht man zwei neue Regionskarten nach, wobei dummerweise gelegentlich auch eine „Der Himmel verdüstert sich“ Karte auftaucht, die uns wohlbekannte, aber dennoch sehr unangenehme Folgen hat:
Zum einen erhöht sich dadurch dauerhaft der Wert des „Bedrohungsmarkers“ (dazu gleich mehr). Zum anderen könnte es sein, dass Sauron wieder mal nach Frodo sucht und ihn auch findet (= die Hoffnung sinkt) und zuletzt gibt die Karte noch einen Ort an, an dem 3 Schattentruppen aufgestellt werden.
Anschließend werden nun so viele „Schattenkarten“ gezogen, wie es der Bedrohungsmarker vorgibt, was zwischen anfangs 2 (nervig) und später je nach Level bis zu 5 (quasi tödlich) sein können.
Diese Karten bewirken, dass entweder gegnerische Schattenarmeen auf vorgegebenen Pfaden voranschreiten, was zu Kämpfen mit unseren Truppen, aber im ungünstigsten Fall auch zur Übernahme einer unserer Zufluchten führen kann. Dies ist besonders verdrießlich, denn zum einen können wir dort dann keine neuen eigenen Truppen mehr ausheben, und zum anderen schlägt dies Frodo gewaltig auf den Magen, weswegen selbstverständlich seine Hoffnung wieder sinkt.
Oder es kommen neue Schattentruppen in eine der gegnerischen Burgen und/oder Nazgul rücken näher an Frodo heran, um Sauron bei seinen Suchen zu helfen.
Schaffen wir es nun also, trotz dieser Widrigkeiten die uns zugedachten Aufgaben zu erfüllen und anschließend noch den Ring in den Vulkan des Schicksalsberges zu werfen, bevor Frodos Hoffnung auf 0 sinkt, dann gewinnen wir.
Beginnen wir mit der Ausstattung, und die ist absolut top. 13 unterschiedliche Charakterfiguren, „fliegende“ Nazgul-Miniaturen, ein Haufen anderes Zeug und ein wie erwähnt höchst imposanter Würfelturm nebst ausgefeiltem Verstausystem lassen kaum Wünsche offen. Oder vielleicht doch - denn der Würfelturm sieht zwar gut aus, ist aber im Grunde völlig verzichtbar und nimmt nahezu die Hälfte der Schachtel ein, was leider dazu führt, dass die Schachtel nur des Turmes wegen unnötig groß ist und insbesondere - und dies finde ich wirklich ärgerlich - mal wieder eine andere Größe hat als die letzten Spiele der Serie, die alle in Höhe, Breite oder Tiefe unterschiedlich sind, was sie im Regal schlecht verstaubar macht und optisch einfach uneinheitlich und damit blöd aussehen lässt. Aber das dürften wohl Nerd-Probleme sein …
Wer - wie ich es manchmal tue - vor dem Kauf eines Spieles schaut, wie viele Regelfragen es dazu auf Boardgamegeek gibt, der könnte aufgrund deren Anzahl den Eindruck gewinnen, dass die Regel schlecht geschrieben sei. Dies ist jedoch mitnichten so - die Regel ist meiner Meinung nach bestens strukturiert und auch inhaltlich komplett, und ein Großteil der Fragen ist meiner Meinung nach klar durch die Anleitung oder das Spielmaterial (z. B. Texte der Karten) abgedeckt.
Allerdings sind einige Fragen auch der Komplexität geschuldet, und diese ist bei diesem Spiel der Serie deutlich größer als bei seinen Vorgängern.
Nicht nur, dass jeder Spieler 2 Rollen mit jeweils 2 Sondereigenschaften hat, die man allesamt im Blick haben sollte, auch die Zielkarten haben Texte, die man doch immer mal wieder nachlesen muss. Die Marschwege der Schattentruppen, die schon gespielten und wahrscheinlich wieder kommenden Bedrohungskarten sowie die „allgemeine Lage“ (stehen gegnerische Truppen kurz vor unseren Zufluchten? Ist genug Verteidigung vorhanden? Wie wichtig ist die Erfüllung eines Zieles gegenüber der Verteidigung einer Zuflucht?) sind alle genauso im Blick zu behalten wie unser genereller Plan.
Dies macht „Das Schicksal der Gemeinschaft“ zu einer höchst anspruchsvollen Aufgabe und aus einem Spiel mit im Grunde einfachen und aus Vorgängerspielen bekannten Regeln ein ziemlich komplexes Puzzle mit zunächst hoher Einstiegshürde.
A propos „Vorgängespiele“. An diesen nimmt das Spiel deutliche Anleihen, und zwar an viele davon.
Das Grundgerüst (Bedrohungsleiste, Hoffnungsleiste, Spielerkarten mit eingemischten „schlechten Ereignissen“, Spieleraktionen, Kartennachziehen und dem Mechanismus, dass die schlechten Rundenereignisse immer wieder kehren), das kennen wir bereits aus dem Grundspiel. Gegnerische Truppen, die sich auf vorgegebenen Wegen nähern, stammen aus Der Untergang Roms. Mehrere Charaktere, zwischen denen man jede Runde wählen kann, gab es in Form von Identitäten in Pandemic Legacy Season 0.
Aufträge und Ziele gab es ebenfalls in den Legacy-Spielen, aber auch in World of Warcraft – Wrath of the Lich King und in Star Wars The Clone Wars, und in beiden letztgenannten gab es ebenfalls nur eine „Farbe“ von Gegnern, mehr als 3 Gegner auf einem Feld „streuten“ nicht und das Aufbrauchen des Spieler-Nachziehstapels oder feindlicher Kämpfer beendete das Spiel nicht - sorgte aber trotzdem dafür, dass man dann nur noch ganz wenig Zeit hatte, seine Ziele zu erfüllen.
Dennoch haben die Macher es erneut geschafft, dass das Spiel sich ausreichend unterscheidet und ein paar neue Facetten in das Spielsystem einbringt, und genau wie bei einigen anderen Ablegern (z. B. Der Untergang Roms oder Rising Tide) erkennt man das Grundsystem noch sehr, aber die Spielmechanik ist doch ausreichend unterschiedlich, so dass ich immer wieder überrascht bin, was man aus dem System so alles heraus holen kann und es durchaus seine Daseinsberechtigung neben den anderen Spielen der Reihe hat.
Es ist zudem eine sehr gute Adaption, erstaunlich gut sogar. Denn auch wenn ich - wie eingangs beschrieben - kein HdR-Fan bin, erzählt es doch Geschichten, die so auch in den Büchern hätten stehen können und sogar deutlich spannender sind als letztere. Selten läuft eine Partie „geradeaus“ durch - oftmals kommt es vor, dass alles völlig geschmeidig läuft und man sich schon dem Sieg nahe wähnt und plötzlich laufen einige Dinge ganz unerwartet anders ab, und man steht mit dem Rücken zur Wand oder verliert. Aber auch umgekehrt ist es möglich, und egal wie es ausgeht: Meist ist es ein knapper Sieg oder eine knappe Niederlage.
Die beschriebenen Wendungen sind natürlich auch einem gewissen Glücksanteil geschuldet (Wie wird in Kämpfen gewürfelt? Zieht man Regionenkarten mit den „richtigen“ Symbolen zum passenden Zeitpunkt? Tauchen Truppen an von uns übernommenen Burgen auf - und erscheinen somit nicht? Welche gegnerischen Truppen bewegen sich wohin und wie gefährlich ist das?), der mir in vielen Partien einen Tick zu arg war. Insbesondere bei den Kämpfen fand ich dies ärgerlich, denn entgegen der Wahrscheinlichkeit hohe eigene Verluste betreffen nicht nur den aktuellen Kampf, sondern wirken sich auch stark auf den weiteren Verlauf aus, und es kostet viele Aktionen, um wieder eigene Truppen nachzurüsten. Der Glücksanteil ist dann auch mein größter Kritkpunkt und einem Spiel dieser Komplexität und Spieldauer meiner Meinung nach nicht angemessen.
Positiv dagegen sind die Geschichten, die das Spiel erzählt. Die Art und Vielzahl der Aufgaben zieht einen gut ins Thema hinein, so dass man sich tatsächlich wie in einer Geschichte fühlt, die gerade abläuft und die so oder ähnlich auch in den Romanen hätte stehen können. Darüberhinaus schaffen sie höchst variable Spielerlebnisse.
Der einzig thematische Bruch ist die Tatsache, dass die beiden Charaktere eines Spielers (bzw. alle Charaktere beim Solospiel) sich eine Kartenhand teilen, und somit beispielsweise Boromir am linken Spielplanrand eine Ring-Karte gegen einen Ring-Chip eintauscht, den wie durch Zauberhand der sich am entgegengesetzten Ende befindliche Frodo direkt zur Verfügung hat. Dies ist aber nur eine marginale Kritik auf themenbezogen hohem Niveau, und so verbleibt als Fazit:
Für spielerisch erfahrene HdR-Fans ist das Spiel eine absolute Top-Empfehlung. Für alle anderen könnte es aufgrund der Komplexität vielleicht eine Nummer zu groß sein oder sich anfangs mehr nach „Arbeit“ anfühlen als nach „Spiel“. Auch fehlt mir etwas die Leichtigkeit der bisherigen Titel der Reihe, weswegen ich zwar das Werk als solches mit seiner Opulenz, Immersion, Variabilität und Ausgewogenheit schätze, es für mich aber (auch aufgrund des nicht zu vernachlässigende Glücksanteils) nicht im allerobersten Pandemie-Regal sehe.
Abschließend noch ein Wort zur Solo-Tauglichkeit: Das Spiel bietet eine Solo-Variante an, in der man 5 Charaktere mit gemeinsamer Kartenhand führt. Funktioniert gut, ist aber aus meiner Sicht völlig unnötig, denn im Grunde kann man aufgrund komplett offener Informationen jede beliebige Zahl von Charakteren führen – gerade so, so, als säßen mehrere Personen am Tisch.
Folglich - egal wie: Das Schicksal der Gemeinschaft ist auf jeden Fall auch sehr gut für das Solo-Spiel geeignet, was meine generelle Empfehlung nochmals abrundet.
Rezension Michael Andersch
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Der Herr der Ringe: Das Schicksal der Gemeinschaft:
5,0, 2 Bewertung(en)
| Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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07.12.25 von Michael Andersch - Grundsätzlich teile ich die Meinung von Jon the Don. Für HdR- und Pandemie-Fans eine klare 6 im Spielreiz. Für nur-Pandemie-Fans (wie mich) reicht es nicht zur 6 (da mir ein kleines bisschen die Leichtigkeit fehlt) und aufgrund des mich wirklich störenden Glücksanteils bei den Kämpfen auch nicht zu einer 5 - aber zu einer sehr, sehr guten 4. Als absoluter Fan der Reihe tut mir das zwar weh, aber leider gibt es andere Titel der Reihe, die ich deutlich lieber spiele. |
| Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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22.12.25 von Jost Schwider - M.E. einfach die beste Pandemie-Variante: Mehr Immersion, Varianz und Spannung geht nicht! 👍 |
Leserwertung Der Herr der Ringe: Das Schicksal der Gemeinschaft:
6.0, 1 Bewertung(en)
| Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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11.10.25 von JonTheDon - Großartiges, vielseitiges und immersives kooperatives Spiel. Man erlebt wirklich die Geschichte nach. Das Pandemic-System ist für Kenner noch gut erkennbar. Tolle Aufmachung. Obwohl die Regeln gut geschrieben sind, gibt es bei der Vielzahl an Situationen und Kombinationen immer mal wieder Rückfragen. Durch die unterschiedlichen Aufträge und Charaktere, die man spielen kann, hoher strategischer Anteil. In einer Partie saßen wir vor dem ersten Zug eine Viertelstunde zusammen, um unsere Vorgehensweise zu besprechen. Eine Perle des Koop-Genres, wie es sie meiner Meinung nach seit Jahren nicht mehr gegeben hat. |